Original-/Alternativtitel: /
Jahr: 1940
Regisseur: Norman Foster
Schauspieler: Sidney Toler (Charlie Chan), Victor Sen Yung (Jimmy Chan, Sohn Nr. 2), Lionel Atwill (Cliveden Compton), Mary Nash (Jennie Finch), Jean Rogers (Kathi Lenesch)
Vorwort:
Pidax ist ein unterschätztes Label. Während der Deutsche Markt mit überteuerten Mediabook/Holzboxen/Hartboxen-Editionen der immergleichen Filme überschwemmt wird, bringt Pidax alte Filmreihen in feinen Gesamtboxen heraus. Da hat der Freund alter Filmperlen einige Angebote, von Söldnerfilmen über Piratenfilme bis zu alten Fernsehkrimis. Bestellt habe ich mir eine dicke Box (12 Filme) der Charlie-Chan-Reihe. Werden die meisten sicherlich kennen oder schon mal gehört haben, denn ironischerweise ist die Filmserie hierzulande sogar bekannter als in den USA, wo sie inzwischen so ziemlich in Vergessenheit geraten sein dürfte. Hier wurden einige, aber nicht alle der Filme synchronisiert im Fernsehen ausgestrahlt und so können auch wir hier diese Filme heute noch leicht und schnell zugänglich genießen.
Inhalt:
Diverse Leute treffen am Panamakanal zusammen. Da wäre der Kriminalautor Cliveden Compton und die ältere Miss Jennie Finch, selber Kriminalfan. Dazu kommen der Ägypter Achmed Halide, der österreichische Wissenschaftler Dr. Rudolph Grosser. Die junge Kabarett-Tänzerin Kathi Lenesch bekommt vom gelackten Café-Besitzer Manolo jedoch den Auftrag, sich an den Ingenieur Richard Cabot heranzumachen.
Wenig später bekommt Charlie Chan, der sich als Hutverkäufer tat, vom Agenten Godley besuch, um sich über die Neuigkeiten auszutauschen. Doch Godley fällt tot zu Boden, kurz nachdem er seine Zigarette geraucht hat. Bald wird klar: Jemand im Flugzeug hat seine Zigaretten vergiftet. Godley hatte gerade einen gefährlichen Agenten verfolgt, der die US-Flotte am Auslaufen hindern will. Nun ist es an Charlie Chan und seinem Sohn Nr. 2, diesen bösen Plan zu verhindern!
Besprechung:
Ich hatte nun schon lange vor, mich dieser Reihe mal anzunehmen. Wie ich schon in der Review zu Danger Flight oder The Man Who Would’nt Die schrieb, sind Filmreihen ja nun keine moderne Erfindung. Seit den Anfängen des Studiosystems etablierten zahlreiche große sowie kleine Studios diverse Charaktere, die sie in x-beliebigen Szenarien immer und immer wieder auf die Leinwand schicken konnten. Meistens waren das B-Filme, 60- bis 70minüter, die einfach kurzweilige Berieselung geben sollten. Die meisten dieser Serien waren der Whodunit- oder Mystery-Natur. Die bekannteste dürfte sicherlich die Sherlock-Holmes Reihe mit Basil Rathbone von Universal sein, neben Charlie Chan gab es aber etliche weitere solcher Figuren. Die „Michael Shayne“-Reihe um den gleichnamigen Privatdetektiv hatten wir mit The Man Who Would’nt Die, genauso wie Lon Chaney und seiner Inner Sanctum-Serie und auch die bei Monogram ansässige „Action“-Reihe um Tailspin Tommy hatte ich schon besprochen. Ansonsten spielte Peter Lorre den chinesischen Detektiv in diversen Mr- Moto-Filmen, Boris Karloff hatte eine kurzlebigere Reihe als Mr. Wong, The Whistler schaffte es bei Columbia auch auf zahlreiche Filme.
Besonders beliebt war ja ohnehin das Yellow-Facing, und so deuchte es den Studios, zahlreichen westliche Schauspieler zu Asiaten umschminken zu lassen und sie wahlweise als Fieslinge (Fu-Manchu mit Karloff, The Mysterious Mr. Wong mit Lugosi).
Charlie Chan, ursprünglich eine Romanfigur, hatte schon vor der Hauptreihe bei 20th Century Fox ein paar Auftritte bekommen, wurde aber erst so richtig populär, als Warner Oland damit anfing, den chinesisch-hawaiianischen Kombinierer zu spielen. Insgesamt brachte es die Filmreihe auf 44 (!) Titel, zwischen 1931 und 1941. Gerade allerdings der erste Film, Charlie Chan Carries On, ist verschollen, ebenso wie Teil Drei, Charlie Chan’s Chance, Teil Vier, Charlie Chan’s Greatest Case und Teil Fünf, Charlie Chans Courage. Für ein Major Studio, die ja zumindest gute Archive hatten, ist das schon sehr unglücklich. Der älteste, erhaltene Film aus der Reihe ist damit The Black Camel, in welchem sich auch Bela Lugosi und Dwight Frye die Ehre gaben
Warner Oland spielte bis zu seinem Tod 1937, danach übernahm Sidney Toler die Rolle, die sich inzwischen zu einer äußerst beliebten Reihe entwickelt hatte (ich kann es natürlich nicht verifizieren, aber am Ende soll Oland pro Film bis zu 30.000 Dollar verdient haben). 20th Century Fox stellte die Reihe 1942 ein, weil durch den Krieg auch Absatzmärkte wegbrachen. Der Resteverwertung nahm sich dann das allseits geliebte (oder auch nicht) Poverty-Row Studio Monogram an, das ab 1944 zahlreich nachgelegt. Nachdem Auch Sidney Toler starb spielte dann noch Roland Winters den Detektiv, bis die Serie 1949 mit The Sky Dragon endgültig eingestellt wurde. Eine wendereiche, interessante Produktionsgeschichte also. Sowohl zu den Oland-Chans als auch Winters-Chans werde ich in anderen Reviews noch kommen, heute haben wir aber erstmal einen mit Sidney Toler.
Und mit Charlie Chan in Panama startet die Reihe mit einem durchaus gelungenen Vertreter in die 40er Jahre, auch wenn „nur“ noch sechs Fortsetzungen bis 1942 folgten, bevor sie in die Poverty-Row zu Monogram wechselte. Tatsächlich ist Charlie Chan in Panama von den Charlie-Chans (wie gesagt, es sind noch nicht allzu viele), bisher mein Favorit. Die Story ist kurzweilig und spannend, die Akteure gut, die Sets schön und die Inszenierung gelungen. Hinzu kommt der paranoide zeitgenössische Einschlag der USA kurz vor dem Kriegseintritt. Es ist eben so, wie ein zünftiger B-Film eines Major Studios wirken und auszusehen hat. Doch der Reihe nach.
Die größte Besonderheit des Ganzen ist sicherlich das, was man schon anhand der Inhaltsangabe sehen konnte: Charlie Chan in Panama spielt sich eher wie ein Agententhriller, denn wie ein klassischer Whodunit. Die Gefahr hier ist eben auch viel größer, als dass einfach nur ein simpler Mörder herumläuft. Immerhin geht’s um die glorreiche Kriegsflotte der Vereinigten Staaten von Amerika und das Mordopfer ist darüber hinaus ein US-Geheimagent, das ist ja nochmal umso schlimmer. Der Kern sind also keine rachsüchtigen zwischenmenschliche Beziehungen oder Geldprobleme, die Motive, die einem in der Reihe bisher so begegneten, sondern Machtspielchen. Gut, dass Motiv, dass Geheimagenten bzw. Spione in Morde verwickelt sind, wurde schon 1936 in Charlie Chan bei den olympischen Spielen aufgegriffen, doch in Charlie Chan in Panama wirkt das nochmal viel unmittelbarer, viel direkter, eben wegen der Entstehungszeit. Da war die Paranoia in den USA aufgrund des Kriegsausbruchs in Europa (der die Charlie Chan Reihe wie gesagt nicht nur inhaltlich beeinflusste) noch viel stärker, und das Ergebnis kann man sehen. In Charlie Chan bei den olympischen Spielen ist es vor allem auch interessant zu sehen, wie entpolitisiert der Streifen war. Da sind keinerlei Nazis zu sehen und die Offiziellen in Berlin arbeiten fein mit Charlie Chan zusammen, um die Spione (ihr Heimatland wird natürlich nicht genannt bzw. bleibt geheim) dingfest zu machen. Gerade weil Charlie Chan eben asiatisch war, und die Nazis bekanntermaßen mit anderen Ethnien große Probleme hatten, wirkt Charlie Chan bei den olympischen Spielen aus heutiger Sicht und aktuellem Wissensstand etwas seltsam. Es zeigt gut auf, dass Studios wie 20th Century Fox derlei Themen inhaltlich wie optisch (die Deutschen wirken weniger wie Nazis, sondern sehen mehr wie Kaiserreichs-Offiziere aus) entschärften, um sich besser in Europa verkaufen zu können.
An diese Taktik hielt man sich faszinierenderweise bis zum Kriegseintritt in den USA. Ab 1938 gab es in Filmen mit ähnlichen Thematiken (also böse Spione aus fremden Ländern) immerhin Anspielungen, um wen es sich handelt, aber erst als die USA auch in den Krieg eintrat, konnte man die Nazis als klare Feinde auch benennen. So, um nun auf das Thema zurückzukommen, in Charlie Chan in Panama ist’s genauso. Wer wäre denn 1940 bitte interessiert daran, dass die US-Flotte den Panamakanal nicht passieren kann (ok, eher Japan, aber hier gibt’s keine Japaner, sondern nur Europäer), und von daher ist es eh klar, welche Nation hinter den Machenschaften steckt. Noch offensichtlicher wird es dann, wenn von einer „Geheimpolizei“ die Rede ist, die Leute einsperrt und ermordet und das deswegen Leute in die USA flüchten müssen. Ich frage mich echt, wieso 20th Century Fox hier dann offensichtlich noch dagegen war, das Kind beim Namen zu nennen, aber gut, das spielt beim Filmspaß nun keine große Rolle, ist aber eine interessante filmhistorische Beobachtung.
Wie dem auch sei, Charlie Chan in Panama überzeugt auf ganzer Linie als „Krimi“-Spaß mit Anleihen des Film-Noirs und Agenten-Thriller. Drehbuchautor John Larkin, der ansonsten noch weitere Chan-Filme schrieb über den aber insgesamt nur sehr wenige Infos kursieren, versteht es, den Streifen zügig voranzutreiben. Es gibt klassische Red-Herrings in Form des österreichischen Doktors Dr. Rudolph Grossers und Achmed Hallids, die zwar nicht spektakulär, aber doch wirkungsvoll sind.
Die Figurenkonstellation ist überschaubar und wird schnell eingeführt, Charlie Chan ist mit Sohn Nummer 2 mit genügend (gelungenem) Witz dabei und es gibt die ein oder andere pfiffige Idee, wie Chan die Hinweise zusammenfügt, um die US-Flotte zu retten. Mit 65 Minuten hat das genau die richtige Länge. Es wird nie langweilig, der Spaß und die Spannung sind durchgehend vorhanden, auch wenn sie freilich nie meisterhaftes Niveau erreichen würden, aber das erwarte ich ja auch gar nicht von der Reihe. Es ist insgesamt eine unterhaltsame Berieselung, eben genau das, was das gestresste US-Publik im Jahre 1940 brauchte.
Besonders schön ist die Inszenierung. Panama wird hier sehr authentisch und atmosphärisch in Szene gesetzt. Die größeren Sets wie die Straßen oder die Hafenkneipe sind sehr belebt und werden nett in Szene gesetzt, hinzu kommen etliche Statisten, da hat man sich schon Mühe gegeben. Aber auch in den diffusen Hinterzimmern, wo die Leichen liegen, und Chan auf Spurensuche geht, und Büros der Vorgesetzten gibt’s zum Teil wohlige Film-Noir Atmosphäre. Pistolen werden durch Türspalten auf Chan gerichtet, diverse Leute, denen man nicht traut, spionieren im Halbdunkeln. Und über allem schwebt eine heiße, schwüle Südsee-Atmosphäre, fein, fein. Besonders gelungen ist der spanische Friedhof, durch den eine sehr gut aussehende Kamerafahrt führt. Ich für meinen Teil hätte mir nun ein paar mehr Szenen am Panama-Kanal gewünscht, aber das ist mehr als in Ordnung.
Regisseur Norman Foster holt auch durchaus was aus dem Material heraus und verfällt nicht darin, alles nur stumpf abzufilmen. Gut, es ist keine Meisterleistung, man bedenke immer den strengen Zeitplänen und Budgets, denen solche B-Filme unterlagen. Aber Foster kannte sich mit derlei Stoffen ehedem gut aus, denn er inszenierte neben weiteren Chan-Filmen etwa auch die Mr. Moto Filme mit Peter Lorre. Die Low-Key Beleuchtung in den Hinterzimmern hat seine Wirkung, der ein oder andere Shot (z.B auf dem Friedhof oder die Einführung in die Hafenkneipe) ist gelungen. Insgesamt wirkt es manchmal aufgrund der Studiosets nur etwas klaustrophobisch.
Und dann kommen wir zu den Schauspielern. Die „Fangemeinde“ ist sich insgesamt einig, dass Warner Oland der beste Charlie Chan ist/war. Dem kann ich zustimmen, aber auch Sidney Toler macht seine Sache gut. Wie immer kann man nun wieder die leidige Diskussion über das „Yellow-Facing“ anstoßen, das tue ich jetzt hier aber nicht, weil ich dieses „Phänomen“ an andere Stelle ausführlich schon getan habe, u.a bei den Fu-Manchu-Filmen mit Christopher Lee oder Boris Karloff. Sidney Toler, der ebenso wie Oland durch die Rolle dem Typecasting erlag und bis zu ihrem Tod praktisch nichts anderes mehr spielten, dient als Fixpunkt der Reihe, als Hauptkonstante, sehr gut an. Er ist als Chan wie immer charismatisch, stoisch, ruhig-gelassen und bringt mit seinen Weisheiten und der ein oder anderen Ironie, vor allem in Richtung Sohn Nummer 2, auch immer etwas Witz mit. Toler hat es schon drauf, mysteriös zu gucken und haucht Chan mit einigen Nuancen Leben ein.
Wie bereits erwähnt, hatte die Charlie-Chan-Reihe vor allem unter Oland die Eigenschaft, gerne auch „Gaststars“ einzuladen, wie z.B eben Lugosi, Karloff oder etwa einen jungen Ray Milland. Nun, Lionel Atwill würde ich nicht als solchen sehen, dazu ist er viel zu wenig prominent hervorgehoben, aber gerade wegen Atwills Mitwirken habe ich mir Charlie Chan in Panama aus der neu bestellten Pidax-Box zuerst angesehen. Atwill hatte ich schon in Charlie Chan auf Kreuzfahrt gesehen, und zu ihm selber muss ich wohl kaum noch was sagen (Kritiken zu Atwills Auftritten habe ich etwa schon mit Besprechungen zu The Gorilla, Murders in the Zoo, The Mad Doctor of Market Street oder The Strange Case of Dr. Rx geschrieben). 1940, wir erinnern uns, konnte Atwill noch die Hoffnung haben, den Sprung zum Hauptstar zu machen, ein paar Jahre später war dieser Traum aufgrund seines Sex-Skandals (und seiner Krebserkrankung) jedoch schon verpufft. Leider hat er hier eher wenig Screen-Time, aber man sieht ihn immer gerne.
Der restliche Cast lässt sich ebenfalls sehen. Mary Nash ist als typische hysterische Frau, die selber Detektiv spielen will und sich ebenjenem anhängt (ganz ähnlich wie es später bei Peter Ustinov in Tod auf dem Nil der Fall war) ganz amüsant (und da gibt’s dahingehend auch noch ne Überraschung). Victor Sen Yung ist ein akzeptabler Ersatz für Keye Luke in der Rolle des Chan-Sprössling und bringt gelungenen Witz in den Streifen (glücklicherweise haben wir keinen anderen bescheuerten Comic-Relief wie etwa Mantan Moreland in den Monogram-Filmen). Ohnehin waren die Chan-Söhne irgendwie die einzigen Prominenten asiatischen Rollen in Hollywood jener Jahre, die auch wirklich von Asiaten gespielt wurden!
Und zu guter Letzt gibt Chris-Pin Martin (der u.a in zahllosen B-Western spielte) noch eine amüsante Performance als dicker, lokaler Polizist hinzu.
Die Bild- und Tonqualität der benannten Pidax-Filmbox ist hervorragend. Es ist immer wieder schön, wen solche alten B-Reihen in guter Qualität herauskommen. Es gibt ja noch zahllose solcher Mystery/Krimi-Reihen aus den 40er Jahren, die einfach nicht für das Heimkino zu bekommen sind! Schön wäre auch noch ne Box für die Oland-Filme. Ich habe mich noch etwas durch des hiesige Programm gewühlt und mir nun auch die Tarzan-Gesamtbox bestellt - Reviews werden sicherlich auch dazu folgen.
Fazit:
Charlie Chan in Panama ist ein spaßiger Vertreter der Charlie Chan Reihe. In exotischer Kulisse und unter den zeitgenössischen Umständen ist’s ein unterhaltsamer Whodunit der guten, alten Art!
