Original-/Alternativtitel: Zombi 2 / Zombie Flesh Eaters

Jahr: 1979

Regisseur: Lucio Fulci

Schauspieler: Ian McCulloch (Peter West), Tisa Farrow (Anne Bowles), Richard Johnson (Dr. Menard), Al Cliver (Brian Hull)

Vorwort:

Wenn man gerade dabei ist.

Wenn man gerade dabei ist, die besten Horrorfilme aller Zeiten zu besprechen, dann kann ich auch gleich zu einem weiteren meiner absoluten Lieblingshorrorfilmen kommen. Nach The Texas Chainsaw Massacre geht es mit etwa demselben Kaliber weiter, könnte man sagen. Italienische Horrorfilme sind hervorragend, Zombiefilme sind hervorragend. 70er Splatter ist hervorragend. Und alles zusammen, das ist noch hervorragender (wenn diese Steigerung Sinn ergibt). Die Rede ist natürlich vom wohl besten italienischen Genrefilm aller Zeiten: WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES!

Inzwischen ist es schon ziemlich lange her, dass ich dieses Meisterwerk gesehen hatte. Wie schon bei TCM hatte ich eigentlich vor, ihn mir nochmal in einer warmen Sommernacht zu Gemüte zu führen, aber so ist es nun mal – diese Filme kommen dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Als ich heute überlegte, was ich denn schauen sollte, war ich unentschlossen. Etwas Neues? Vielleicht Carpenters Das Ding? Verraten darf ich, dass dieser bald auch nochmal Erwähnung auf dieser Seite finden wird, aber letztendlich entschied ich mich dazu, wieder den Italo-Zombie aus dem Schrank zu holen und endlich die Blu-Ray von XT aus dem wunderschönen Mediabook in den Player zu legen. Und siehe da: Sobald Fabio Frizzis Soundtrack erklang wusste ich - es war die richtige Entscheidung.

Inhalt:

Ein vermeintlich herrenloses Boot wird von der New-Yorker Küstenwache betreten. Beim Durchsuchen des Schiffes stoßen die Beamten auf abgetrennte Körperteile und werden kurz darauf von einer fauligen Gestalt angegriffen. Ein Polizist stirbt, der andere kann die Gestalt mithilfe schon Schüssen ins Wasser befördern. Durch die seltsamen Vorkommnisse neugierig geworden, beginnt der Journalist Peter West zu recherchieren und trifft dabei auf Anne Bowles, die Tochter des Yachtbesitzers. Ein Brief ihres Vaters führt die beide auf die Karibik-Insel Matul. Dort angekommen werden sie von Dr. Menard, dem früheren Kollegen von Anns Vater, über dessen Tod informiert. Denn etwas Furchtbares geht auf der Insel vor: Und die Toten steigen wieder aus der Erde und dürsten nach dem Blut der Lebenden!

Besprechung:

Theoretisch könnte ich das Vorwort von der TCM-Besprechung hier hineinkopieren. Auch Woodoo löste bei der neuen Sichtung (allerdings leider nicht auf Kinoleinwand) viele schöne Eindrücke aus, bei denen man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Dieser Film ist perfekt. Es ist der perfekte Italo-Zombiefilm, wenn nicht sogar der perfekte Zombiestreifen der alten Ära, wenn man Night of the Living Dead und Dawn of the Dead jetzt mal außen vorlässt. Es ist Italo-Genrefilm in Reinkultur, mit aller Drum und Dran, und das im Positiven. Hier kulminieren alle filmischen Fimmel, die die Regisseure und Produzenten vom Stiefel hatten: Mitschwimmen auf einer Erfolgswelle (namentlich der von Dawn of the Dead). Synthie-Score. Selbstzweckhafter Splatter. Südsee. Ein kleines bisschen Mondo-Feeling. New-York als Rahmen, sozusagen. Ich habe noch nicht jeden Fulci-Horrorfilm gesehen, wohl aber die bekanntesten, und von seinen Zombie-Streifen ist mir Woodoo auch der Liebste (obgleich ich die anderen auch nicht verachte: jetzt müsste ich die hier eigentlich auch der Reihe nach besprechen... ich habe gar nicht so viel Zeit, wie ich schreiben und schauen will). Wer die Kritik zu TCM gelesen hat, der wird auch erkennen, warum ich auch Woodoo liebe. Im Grunde könnten die beiden, TCM und Woodoo, ja nicht viel weiter voneinander entfernt sein. Was sie aber gemeinsam haben ist die Morbidität. Die Morbidität, der Terror in der Natur. TCM nun mal im texanischen Hinterland, Woodoo auf einer gottverlassenen Südseeinsel. Ich liebe alte Horrorfilme, die in der Natur spielen (falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte), und Woodoo bedient das natürlich hervorragend.

Aber von Anfang an. Mit TCM hat Woodoo auch gemeinsam, dass die Story im Grunde nicht wirklich der Rede wert ist. Es gibt eine Grundidee (Zombies auf ner Südseeinsel), viel mehr spinnen die Drehbuchautoren auch nicht mehr dazu. Neben Dardano Sacchetti, den ich in Bezug auf The Ogre und Monster Shark hier schon einmal erwähnt hatte, war auch Elisa Briganti an Bord (es ist tatsächlich eine Frau, das könnte manch einem, der dem Film Sexismus oder sonstiges vorwirft, verwundern). Sie schrieb u.a noch Manhattan Baby für Fulci. Die Story wird danach kaum noch angereichert: Weder wird verraten, woher der Zombievirus kommt, noch wird irgendwie die angedeutete Schnittstelle zwischen einer modernen, wissenschaftlichen Erklärung, und abergläubischen Voodoo-Zauber angegangen. Letzteres wäre ja durchaus ein interessantes Faktum, da derlei Gedanken, wo hört Wissenschaft auf und wo fängt Mythos an, ja durchaus eine interessante Prämisse für einen Zombiefilm wäre. Ohnehin wirkt der Film wie eine Mischung aus Romero-Streifen und altwürdigen Voodoo-Zombie á la White Zombie und Nächte des Entsetzens. Das liegt selbstredend am Setting der Südseeinsel, aber auch an dem immer wieder angedeuteten Voodoo-Thema und daran, dass die Zombies hier fast wie in Trance wirken. Das Voodoo-Thema kommt nur nie darüber hinaus, im Hintergrund herum zu dümpeln, man hört lediglich die Trommeln – tanzende Ureinwohner bekommt man nicht zu Gesicht. Was bei den Italienern ja durchaus verwunderlich ist, die haben’s ja mit vermeintlich „dokumentarischen“ Aufnahmen indigenen Völkern und deren Sitten. Das wurde ja gerne auch einfach in die Genre-Filme geworfen, wo es eigentlich nicht allzu viel Sinn macht (Hölle der lebenden Toten, Die Bestie der Kumas z.B). Man mag es ja halten, wie man will: Vielleicht hat das Drehbuch hier Potenzial verschenkt. Aber das hat dafür auch dieselben Vorzüge, die ich bei TCM angesprochen hatte. Es ist ein komprimiertes Drehbuch, auf das wesentliche reduziert: Auch Woodoo legt ein sehr hohes Tempo an den Tag, lässt den Zuschauer innerhalb der 90 Minuten kaum verschnaufen, immer wieder wird das sonnige Paradies in ein tödliches Moloch verwandelt und die Action nimmt ihren Lauf... die Insel wirkt hier fast wie eine alptraumartige Parallelwelt, abgekoppelt von der Wirklichkeit. Für Fulci ja bekanntes Terrain, wie er in den späteren Filmen zu Gut beweisen sollte.

Angeblich soll das Skript ja schon vor Dawn of the Dead fertig gewesen sein, was bemerkenswert wäre. Und die Dreharbeiten liefen auch nicht optimal ab: Woodoo ist, wie 99% der italienischen Horrorfilme zu dieser Zeit, selbstzweckhaft. Gedreht worden, um Lire durch einen aktuellen Trend abzuschöpfen. Aber Woodoo ist dann doch anders als die anderen Italo-Filme dieser Art. Er steht über seinen Kollegen wie ein leuchtender Stern, weil er handwerklich und inszenatorisch immerzu zu überzeugen weiß und viel Größer wirkt, als er es tatsächlich ist.

Und das liegt an drei Sachen, wie ich meinen will. Erstens ist es natürlich das Setting. Die Südseeinsel ist auf der einen Seite einfach wunderschön, auf der anderen Seite versprüht sie in den Zombie-Szenen eine bedrückende, schwüle, dreckige, eben morbide Atmosphäre, die die Bedrohung der lebenden Untoten nochmals potenziert. Die Natur steht nicht ganz so im Mittelpunkt wie in TCM, aber Fulci präsentiert uns einige charmante Szenerien, etwa den spanischen Friedhof. Dieser ist, meiner Meinung nach, auch mit die beste Kulisse des Streifens. Aber auch die See-Szene mit dem Hai und dem Unterwasser-Zombie ist hervorragend gearbeitet und geradezu malerisch. Ebenso das New-York der späten 70er entfaltet als Rahmen, wenn auch nur sehr, sehr kurz und knapp, seine Wirkung: Die Shots mit dem führerlosen Boot und der Brooklyn-Bridge sind einfach cool, zu dem Abschlussbild komme ich gleich nochmal...

Zweitens zeigt Fulci hier, dass er mit Recht der wohl beste Genre-Regisseur seines Landes war (neben Bava, vielleicht). Auch wenn viele das radikal anders sehen (etwa der Doc von Badmovies.de), aber hier erkennt man, dass Fulci einfach Gespür hatte, die Zombies in Szene zu setzen: Ihre Auftritte, wie sie sich aus der Erde erheben, langsam, fast schon ruhig, und dennoch bedrohlich. Der Streifen ist mehr als sorgfältig gearbeitet und da erkennt man doch schon deutlich den Unterschied zu anderen Italo-Riegen, z.B dem guten alten D’Amato. Fulci hatte, hier, auf seinem Höhepunkt zumindest, einfach ein anderes Niveau, was Ästhetik und Atmosphäre angeht. Da ist keine Hektik zu erkennen, keine Schnitzer und jede Szene hat einen Sinn, einen Zweck – es gibt kein Füllmaterial. Man sieht, dass Fulci sich Gedanken gemacht hatte, das Ganze nicht nur stupide heruntergekurbelt hat. Da wurde sich mühe gegeben, in jedweder Hinsicht. Auch das Make-Up der Zombies ist absolut großartig. Die Untoten wirken richtig verfault, von einem widerlichen Virus befallen: Verschleimt, abgestorben, zerfallen, tödlich alleine schon durch das Anfassen. Und auch gibt es dahingehend Abwechslung, keine Maske gleicht der anderen und jede wandelnde Leiche hat ihren eigenen „Charakter“, vom dicken Zombie vom Boot, dem Unterwasserzombie oder dem legendären Zombie mit den Würmern im Auge. Ebenso ist es mit den Splatter-Effekten, und, meine Güte, da wird aufgefahren, was aufgefahren werden konnte. Klar, Cannibal Holocaust oder Die weiße Göttin der Kannibalen sind „brutaler“, aber auch viel unästhetischer, viel pietätloser. Der Splatter in Woodoo hat Qualität und Form! Mag sein, dass es selbstzweckhafte Effekte sind, meinetwegen, dennoch entwickelt sie hier, in dieser Umgebung der Südseeinsel, eine ganz besondere Spannung. Und auch wie verstümmelt wird, da gibt’s Abwechslung! Köpfe werden mit Kreuzen oder Schaufeln gespalten, Gesichter mit Schaufeln eingeschlagen, es gibt regelrechte Schießereien, Arme und Beine werden durchgebissen, genauso wie die Kehlen. Da spritz das Blut wie aus einem Springbrunnen, da wird in den Gedärmen gepanscht... es ist genau richtig dosiert, mit perfektem Timing und dem geeigneten Tempo. Legendär ist selbstredend auch die berüchtigte Szene mit dem Auge, eine von Fulcis Fimmeln (oder vom Italiener allgemein). Das ist schon unangenehm anzusehen. Der Höhepunkt ist dann jedoch der Hauptkampf in der Kapelle. Eine spannende, mitreißende Belagerung mit ihrem eigenen Rhythmus und wenn das Holz in Flammen aufgeht und die Zombies ebenso, dann weiß man, das ist italienisches Horrorkino, wie es sein soll. Und dann toppt sich Fulci trotzdem nochmal: Der prophezeiende Abschluss, die Zombies auf der Brooklyn-Bridge in Richtung Manhattan. Da wünscht man sich glatt, Fulci hätte eine Fortsetzung gedreht. Als ich diesen Sommer in New-York war und über die Brooklyn-Bridge ging, musste ich natürlich auch an diese Bilder denken... und versuchte die Stelle zu finden, an der Fulci vor nunmehr 40 Jahren seine Kamera aufgestellt hatte... ich hätte mir den Film vorher nochmal anschauen sollen.

Und der dritte Punkt, wieso Woodoo so makellos als das funktioniert, was er sein will, ist Fabio Frizzis gottgleicher Soundtrack. Mein. Gott. Das ist wirklich der beste Horrorfilm-Soundtrack aller Zeiten. Ja, zu dieser Meinung stehe ich, auch wenn es viele andere gibt, die heranreichen, aber die Haupt-Theme, wenn die Zombies sich erheben und zur Kirche gehen, durch den dunklen Dschungel... da geht mein Herz auf. Das ist einfach wunderschön, unbeschreiblich. Den Soundtrack höre ich immer wieder, gerne auch in verschiedenen Cover-Versionen. Ach, wenn ich daran denke, dass Frizzi noch vor kurzem Live in Nürnberg war... ich hoffe, ich habe eines Tages auch noch die Ehre, der Live-Version beizuwohnen.

Die Schauspieler sind bei Italo-Filmen, zumindest dieser Art, ja nie von so großem Belang. Tisa Farrow als Protagonistin ist etwas blass, so wirklich nimmt man es ihr nicht ab, dass ihr die Reise wichtig ist. Ian McCulloch kennt der geneigte Fan selbstverständlich auch aus Zombie Holocaust und Contamination und er holzt sich hier eher unbeeindruckt durch die Zombie-Horden. Eigentlich wollte ich ja zur Filmbörse Neuss, als er dort war, und mir mein Mediabook von ihm signieren lassen... Chance um Chance vertan! Eher schwach ist Al Cliver als Brian – zumindest wirkt er nicht wirklich traumatisiert, als er sieht, dass seiner Frau die Kehle aufgebissen wird. Richard Johnson (The Haunting u.a) als Dr. Menard ist da schon glaubwürdiger als besessener Arzt. Gleiches gilt für Olga Karlatos, die dessen emotional zermürbte Frau gut darzustellen weiß.

Gesichtet wurde die Blu-Ray aus dem hübschen Marketing-Mediabook von XT. Sowohl Qualität als auch Ton sind zufriedenstellend, als Bonus gibt’s neben einem Musikvideo auch noch eine Doku über Fulci, in die ich aber bisher nur kurz reingeschaut habe. Es ist aber ein prächtiges Sammlerstück und steht dementsprechend wohlbehütet in der Vitrine neben dem Marketing-Mediabook zu Großangriff der Zombies (den müsste ich auch mal wieder sehen).

Fazit:

WOODOO ist ein so gut wie perfekter Horrorfilm der Marke Italia. Schnell, brutal, atmosphärisch, mit einer ansehnlichen Regie-Arbeit von Fulci und Frizzis Soundtrack ist da die Kirsche oben drauf. Den muss man gesehen haben!

8,5/10 Punkten.

P.S: Folgende Cover-Versionen von Frizzis Soundtrack finde ich hervorragend, geht beides in die Richtung von Synthwave:

https://www.youtube.com/watch?v=2QN5eTSBAU4&list=RD2QN5eTSBAU4&start_radio=1

https://www.youtube.com/watch?v=WaWkpynCXFI&list=RD2QN5eTSBAU4&index=2