The Mad Doctor of Market Street – Filmkritik
Original-/Alternativtitel: The Mad Doctor of Market Street
Jahr: 1942
Regisseur: Joseph H. Lewis
Schauspieler: Lionel Atwill (Dr. Ralph Benson), Claire Dodd (Patricia), Richard Davies (Jim), Una Merkel (Tante Aunt), Nat Pendleton (Boxer Red Hogan)
Vorwort:
Nachdem ich mich mit dem Monsterfilm der 50er Jahre durch war und mich mit ihm übermäßig stark auseinandersetzte (das Buch, jaja, das wird, hoffentlich, in näherer Zukunft endlich erscheinen!), scheint langsam an diese Stelle der Horror der 40er Jahre zu stehen. Dass ich diesen, trotz seiner offensichtlichen Mängel (sowohl in Qualität als auch von den Drehbüchern her) doch durchaus gerne mag, habe ich mit zahlreichen Kritiken inzwischen gezeigt. Sie sind eben entweder schön Gothic-mäßig oder hübsch pulpig. Und zu letzter Kategorie kommen wir auch heute wieder!
Im Black-Friday Sale muss man als Filmsammler natürlich stark zugreifen und da man inzwischen relativ problemlos auch die Produkte auf Amazon.us erstehen kann, tat ich genau das – und gönnte mir ein paar hübsche Filmpakete der günstigeren Art. Eine davon war (um die Hälfte reduziert, auf knapp 35 Dollar) die „Universal Horror Collection Volume 2“, die mit Titeln auffuhr, die ich mir sogleich in meine Sammlung einverleiben wollte: Murders in the Zoo, The Mad Doctor of Market Street, The Strange Case of Dr. Rx sowie The Mad Ghoul.
Nun, Murders in the Zoo habe ich dann jetzt doppelt, weil der ja schon in einem anderen Paket drin war, aber für den Preis kann man sich nun wirklich nicht beschweren, zumal es die anderen drei Titel einzeln kaum zu kaufen gibt. Außerdem sind’s ja auch Atwill-Titel, und dass der gute Herr ein durchaus ansprechender Horror-Darsteller war, dass habe ich ebenfalls jüngst in der Review zu Murders in the Zoo klargestellt.
Heute also entschied ich mich für... The Mad Doctor of Market Street.
Inhalt:
Dr. Ralph Benson will versuchen, den Tod auszuschalten. Dazu will er Menschen in eine Art künstliches Koma versetzen, um sie wieder zu erwecken, sobald ihre Krankheiten geheilt werden können. Sein erstes menschliches Testsubjekt stirbt bei dem Versuch jedoch, und dessen Frau kontaktiert die Polizei. Dr. Benson flieht kurzerhand per Kreuzfahrtschiff in die Südsee, als jedoch ein Feuer im Maschinenraum ausbricht, gerät er auf eine isolierte Insel. Mit dabei: Die hübsche Patricia, ihre Tante Aunt, der Boxer Red Hogan, der Schiffsoffizier Dwight sowie Jim, der sich bereits sehr gut mit Patricia versteht.
Als die Gruppe von den Eingeborenen gefangen genommen wird, kann Dr. Benson sie jedoch befreien: Er holt eine kürzlich verstorbene des Stammes wieder ins Leben, der ihn daraufhin als ihren Herrscher akzeptiert. Und Dr. Benson will daraufhin Patricia zwingen, ihn zu heiraten...
Besprechung:
Nun, ich glaube, dass 80% der Abschlussworte bei Reviews zu Horrorwerken aus den 40er Jahren irgendwie gleich sind – das wird auch bei The Mad Doctor of Market Street nicht anders sein. Es ist einer dieser Filme, die man relativ gut weggucken kann, und die man als Fan dergleichen irgendwie doch schätzt – 60 Minuten lang, ein cooles Cover, eine nette Performance eines etablierten Namens. The Mad Doctor of Market Street ist dabei ein perfektes Beispiel für einen zweiten Teil eines Double-Features á la Universal, der demnach auch von weniger gesteigertem Interesse war als der Hauptgang. The Mad Doctor of Market Street wurde so z.B u.a zusammen mit Der Wolfsmensch gezeigt, und dass dieser den Doktor von der Marktstraße (oder so ähnlich) in den Schatten stellte, ist klar – auch heute fristet der Streifen ein Schattendasein. Im Output des Universals-Horror der 40er Jahre ist der Titel schon fast am Grund des Eisberges und enorm unbekannt. Bei Letterboxd kommt er nicht mal auf 1000 Bewertungen und lange Zeit gab es den Film selbst gar nicht zu sehen, da keine VHS oder DVD vorlag.
Aber das macht den Universal-Horror freilich ja auch so interessant. Bei diesem Studio weiß man: Man bekommt ein Mindestmaß an Qualität geboten (zumindest von den production values her, inhaltlich fabzriziert Universal gen Ende des Horror-Hypes ja auch so manchen Krampf). Von daher ist ein Universal-Horrorfilm für den Fan aus diesen Jahren mindestens von etwas Interesse, und außerdem, das habe ich schon öfter erwähnt: Es macht Spaß, sich solchen vergessenen Filmen zu widmen.
Im Vorwort erwähnte ich schon, dass der Film eher „pulpig“ denn „Gothic-Horror“ ist. Mit „Pulp“ meine ich solche Streifen wie The Devil Commands oder The Return of the Ape Man. Filme, die in der (relativen) Gegenwart spielen, mit verrückten Wissenschaftlern und ihren Machenschaften auffahren und eben einfach kurzweilige Stories haben, die einfach nur kurzweilige Unterhaltung bringen und optisch unterhalten wollen. Eben Geschichten wie aus alten Comics.
Und The Mad Doctor of Market Street passt perfekt auf das Wort Pulp. Das malerischste Metier von Universal wird immer das nebelige Schloss, der nebelige Friedhof bleiben, das ist klar, aber auch die Filme, die eben mal ein anderes Setting bedienen, sind bei mir gerne gesehen – gerade die, die in der Südsee spielen. Sowieso finde ich, dass sich die Optik des alten schwarzweiß Horrors sehr gut auf Inseln in der Karibik übertragen lässt – man betrachte nur White Zombie, Zombies on Broadway oder The Most Dangerous Game. Das bringt etwas exotisches mit sich, ein bisschen das Feeling von etwas Mysteriös-Geheimnisvollem und es ist ein abwechslungsreicher Kontrast zum sonst ach so düsterem Gothic-Horror.
Die größte Stärke von The Mad Doctor of Market Street ist freilich auch genau dies: Das Setting. Es ist zwar ein B-Film, den Universal schnell herunterkurbeln wollte, um ihn einfach zügig als ein Double-Feature in die Kinos zu schaufeln, und niemand hierbei wird ein gesteigertes Interesse an dem Material gehabt haben – aber, wie gesagt, bei Universal darf man immer eine Mindestqualität erwarten. Und das Studio ließ sich nicht lumpen. Innerhalb von 60 Minuten gibt es ein klassisches Mad-Scientist Labor zu bewundern (Am Anfang), dann ein paar Sets eines Kreuzfahrtschiffs und dann die Südseeinsel. Und alles schaut durchaus fein aus. Das Mad-Scientist Labor an der Market Street (der titelgebende Ort kommt also höchstens ein paar Minuten vor) bietet nicht mehr, als all die anderen Mad-Scientist-Labore dieser Zeit, aber in der Poverty-Row wäre so etwas das einzige Set von Belang geworden. Obwohl es nur kurz vorkommt, achtete Universal hier auf ein Mindestmaß an Produktionsqualität.
Wie gesagt, dass wichtigste ist dann die Kreuzfahrt und die Südseeinsel. Und diese beiden Sets sind wirklich hübsch geworden. Es sind zwar alles offensichtlich Studioaufnahmen, aber es hatte seinen unverwechselbaren Charme – sowohl der Studiodschungel und der Studiostrand, als auch das Modellkreuzfahrtschiff in der lauwarmen Sommernacht weit draußen auf dem Ozean. Das ist Pulp, wenn auch nicht gerade ausschweifend. Von der Südseeinsel selbst bekommt man allerdings leider auch nicht mehr mit, als genau das – ein Strand, ein bisschen vom Dschungel, ein paar Hütten. Aber na gut.
Die Story ist auf den ersten Blick ja auch gar nicht mal schlecht. Es ist eben typischer Mad-Scientist Stoff, der genauso gut auch von Karloff bei Columbia oder auch von Lugosi hätte gespielt werden können (bei ihm wäre nur das Problem gewesen, dass Monogram vielleicht höchstens genug Budget für das Labor gehabt hätte). Seltsame Experimente, Größenwahn, das Streben nach Unsterblichkeit... oder so ähnlich. Das kennt man alles, das ist schon alles bekannt – so weit so gut, da will ich mich auch keineswegs beschweren. Das Problem ist nun eher, dass Drehbuchautor Al Martin es nicht gebacken bekommt, aus diesen Versatzstücken ein bisschen mehr als nur „das Übliche“ zu kreieren. Martin hatte sich unter anderem bereits durch sein Skript für den Lugosi-Monogramer The Invisible Ghost einen „Namen“ im Genre gemacht, und auch dieses Skript strotzte ja nicht gerade vor Logik und Verstand (obwohl ich den Streifen eigentlich als besser als den Poverty-Row Durchschnitt in Erinnerung hatte). Später schrieb er bei AIP auch noch Invasion of the Saucer Men.
Am Anfang legt er auch ein gutes Tempo vor. Die Exposition geht zügig von statten, es dauert nur ein paar Minuten, bis wir über die Machenschaften von Atwill in Kenntnis gesetzt werden und dieser in die Südsee flieht. Vom Labor in der Market Street aufs Kreuzfahrtschiff, von dort ins Rettungsboot und von dort auf die Insel. Das bietet innerhalb von kurzer Zeit genug Abwechslung und durch Montagen wird ein gutes Tempo an den Tag gelegt.
So ab dem Halbzeitmarker, also schon nach knapp 30 Minuten, tritt die Plotte allerdings auf der Stelle. Irgendwie scheint Martin da nicht so recht eingefallen zu sein, was er jetzt denn noch hätte schreiben können – die Leute sind auf der Insel und Atwill hat die Eingeborenen in der Hand, weil diese natürlich glauben, er sei Allmächtig. Der „zentrale Konflikt“ wird dann schließlich, dass sich Atwill an die arme Frau in Nöten, Patricia, heranwanzt und sie zu heiraten gedenkt. Und das ist nun mal nicht wirklich kein Konflikt, der von gesteigertem Interesse wäre, zumal die Charaktere selbstredend komplette Abziehbilder sind. Für sowas wie „Charakterentwicklung“ ist innerhalb von 60 Minuten natürlich keine Zeit, und selbst wenn, das hätte Universal eh nicht interessiert. Der Konflikt, dass Atwill Patricia nun heiraten will, ist uns nun deswegen völlig egal, weil uns auch Patricia völlig egal ist. Genauso wie alle anderen Figuren, weil sie nur Namen sind, die wir bereits nach 5 Minuten wieder vergessen. Die „Romanze“ zwischen Patricia und dem „Held“, Jim (der aber nicht wirklich irgendetwas Heldenhaftes tut), ist dann des Weiteren auch die absolut Faulste, die ich seit langem gesehen habe. Es gibt drei Szenen an der Zahl, die die beiden irgendwie verbinden würden, und zwei werden nur des Gags wegen eingebaut (oder, wie böse Zungen jetzt behaupten, weil man Füllmaterial brauchte, um überhaupt auf 60 Minuten zu kommen). Einmal die, wie er sie kurz beim Tanzen im Speisesaal trifft, dann, wie er ihr später auf Deck auf Teufel komm raus helfen will (und als sie sich nicht helfen lassen will, tritt er gegen das Bein ihrer Liege, woraufhin diese Zusammenstürzt. Lustig!) und dann der große Liebesmoment am Strand auf der Insel, wo die beiden sich küssen. Das ist nun wirklich maximal uninteressant und uninspiriert, zumal die beiden keine wirkliche Chemie haben...
Und wenn wir schon bei Figuren sind: Ja, natürlich musste es wieder Comic-Relief Charaktere geben, der Fluch dieser Filme sind sie! Selten sind diese Charaktere aushaltbar, und hier ist es leider nicht der Fall. Sie sind wenigstens nicht so nervig wie bei manch anderen Streifen, dafür aber so richtig dümmlich. Die Tante von Patricia, Martha, ist eine dermaßen dumme Nuss, dass man nur genervt den Kopf schütteln kann. Mir ist klar, dass sie im Skript auch als dumme Nuss „charakterisiert“ ist, aber ihre Stimme und ihr Verhalten ist einfach nur nervig. Und die Gags mit ihr regen die Lachmuskeln ebenfalls nicht an. Sollte sowas damals lustig sein? Eine ältere, dämliche Frau, die die Sätze erst nach ein paar Sekunden versteht und dann aufschreit, als sie ihre Bedeutung realisiert (z.B, als ihr gesagt wird, dass sie das Schiff wegen eines Brandes verlassen müsse)?
Und bevor jemand ruft, das wäre sexistisch, dass ich den Comic-Relief Charakter als dumme Nuss bezeichne (wobei die meisten Comic-Relief Charaktere Männer waren). Nein, nein, natürlich gibt’s auch nen Mann, der stört, namentlich der Boxer der Truppe, Red Hogan. Auf dem Schiff tut er nicht mehr, als dämlich bei seinen „Übungen“ hin- und herzuhüpfen, gestrandet auf der Insel fällt er lediglich dadurch auf, etwas... debil zu wirken, kein Wunder, dass am Ende angedeutet wird, er und Tante Martha würden heiraten...
Und auch sonst ist das Skript nicht unbedingt durchdacht. Warum können die Eingeborenen Englisch sprechen? Bis zum Auftauchen der Schiffbrüchigen waren sie doch isoliert? Und warum der Häuptling Atwill direkt als ihren Herrscher akzeptiert, nachdem er eine tote, Frau des Stammes wieder ins Leben holte, ihn am Ende aber ohne ersichtlichen Grund wieder als Böse abtut, wird auch nicht sinnvoll evaluiert. Offenbar reicht es nur, dass der Boxer Red Hogan kurz etwas von „Evil Spirits“ murmelt, und schon sind die Eingeborenen wieder skeptisch – das nenne ich mal leicht beeinflussbar.
Was gibt es sonst noch Interessantes am Skript? Höchstens, dass es weniger rassistisch ist, als man erwarten könnte. Die Eingeborenen werden nicht wirklich als dumm gezeichnet und sie tun im Grunde ja auch nichts Böses, lassen sich eben nur kurz von Atwills Wissenschaft beeinflussen. Es gibt etwa auch kein Blackfacing. Da sind Filme wie Charlie Chan in Ägypten ein ganz anderes Kaliber, im Grunde würde ich The Mad Doctor of Market Street nicht mal als rassistisch bezeichnen (anders als andere Letterboxd-Kommentatoren): Es fehlt einfach nur die „Wachsamkeit“ und das Bewusstsein, das man in der Gegenwart bei einem derartigen Projekt an den Tag legen würde. Für die Entstehungszeit war dies hier aber nicht problematisch.
Nun gut, das Skript reißt also keine Bäume aus, ist absolut generisch bis faul, zumindest in der zweiten Hälfte. Dafür ist das hübsche Setting durchaus gefällig von Regisseur Joseph H. Lewis eingefangen, der ein paar Jahre später mit Thrillern wie My Name is Julia Ross auch größere, „ernsthaftere“ Erfolge verbuchen konnte. Zuvor musste er neben The Mad Doctor of Market Street auch so etwas wie The Invisible Ghost abfilmen, und mehr wird es eben auch nicht gewesen sein, als das: Abfilmen. Es ist freilich keine Filmkunst, aber Lewis tut das wenigstens so, wie es sein sollte. Die Kamera ist durchaus beweglich, die Montagen am Anfang schaffen etwas Dynamik und es gibt noch den ein oder anderen wirkungsvollen Close-Up von Atwill.
Womit wir auch beim Cast wären. Die große Stärke des Films ist natürlich Lionel Atwill, zu dem ich schon in der Kritik zu Murders in the Zoo ein paar Takte gesagt hatte (inklusive zu seinem Skandal). Ja, genau nach diesem landete der gute Lionel auch in Chosen wie solchen – trotzdem gibt er, ich will nicht sagen alles, aber eine durchaus routinierte Darstellung seiner Künste. Er hatte eben diese unterschwellige Bedrohlichkeit an sich, die er hier als größenwahnsinniger Doktor perfekt ausspielen darf. Die Close-Ups seines verrückten Gesichts sind durchaus schön (bzw. eher schön schaurig). Er gibt dem Streifen auch mehr Substanz, denn die restlichen Akteure sind, naja, begrenzt, was alleine schon am Skript liegt. Wie, bitteschön, soll man die Schauspieler, die solche Figuren und Dialoge spielen müssen, auch bewerten? Man vergisst sie im wahrsten Sinne des Wortes schon, sobald der Abspann läuft. Lediglich das Comic-Relief Duo Ned Pendleton als Boxer Red Hogan und Una Merkel als Tante Aunt fallen durch ihre gesteigerte Bräsigkeit auf. Erster zudem auch dadurch, dass er teilweise ausgesprochen hölzern agiert.
Worüber man sich aber freilich nicht beschweren kann, dass ist der Print, den uns Universal präsentiert. Man könnte meinen, das Studio würde bei solch vergessenen Filmen keine gesteigerte Mühe investieren, aber: Die Qualität der Blu-Ray ist richtig gut! Das Bild ist scharf, der Ton ist top! So muss das!
Fazit:
The Mad Doctor of Market Street ist also, wer hätte es anders gedacht, ein typisches Produkt des Horror-Hypes der 40er, an das niemand am Set größeres Herzblut verschwendet hätte. Es bietet eine Handvoll schöner Set-Pieces, dazu aber ein Skript, das keineswegs memorabel ist. Der entscheidende Punkt ist aber die Präsenz von Lionel Atwill. Und genau deswegen gibt’s, mal wieder, wohlwollende sechs Punkte auf der Skala!
6/10 Punkten.