Original-/Alternativtitel: The Incredible Face of Dr. B

Jahr: 1963

Regisseur: Alfredo B. Crevenna

Schauspieler: Eric del Castillo (Graf Brankovan), Rosa Carmina (Vicky), Jaime Fernández (Polizeiinspektor Portillo), Rámon Burgarini (Jorge)

Vorwort:

Und mexikanischer Horror von Anno dazumal zum Dritten! Diesmal werde ich mich mit dem Vorwort etwas kürzer halten, denn was Mex-Horror ausmacht, das ist nach El Charro de Las Calaveras, La Marca Del Muerto und La Cabeza Viviente ja nun wirklich klar. Und heute stand Rostro Infernal auf dem Plan, was so viel wie „Höllisches Gesicht“ heißt (laut Deepl). Mit lediglich mickrigen 35 Bewertungen auf Letterboxd ist es inzwischen auch wirklich der unbekannteste Film, den ich auf dieser Seite hier vorstelle. Zu Recht darf ich davon ausgehen, dass ich zu 99% der erste Deutsche bin, der sich diesen Streifen zu Gemüte führt – aber dafür ist diese Seite ja da. Und schließlich macht es Spaß, solche obskuren, völlig in Vergessenheit geratenen phantastischen B-Filme zu entdecken!

Inhalt:

Hinter der Maske des Grafen Brankovan steckt, im wahrsten Sinne des Wortes, das Grauen: In Wirklichkeit ist er ein verrückter Wissenschaftler und Hexer, der einem Alchemisten im 16. Jahrhundert das Geheimnis des ewigen Lebens stahl. Inzwischen ist er einige Hundert Jahre alt und versteckt sein verschrumpeltes Gesicht hinter einer menschlichen Latexmaske. Er entführt zahlreiche Berühmtheiten, darunter einen Pianisten, um sich deren Fähigkeiten anzueignen. In seinem Labor hat er eine Vorrichtung gebaut, um seinen Opfern Gehirnsaft abzuzapfen, das er dann zu sich nimmt. Gleichzeitig hat er einen stummen Diener und einige Homunculi, künstliche Menschen, die ihm bei seinen Taten helfen. Doch die Polizei unter Inspektor Portillo ist ihm auf den Fersen und fasst einen Plan: Da sie glauben, dass die berühmte Dr. Brown sein nächstes Opfer sein wird, ersetzen sie diese durch eine Doppelgängerin. Doch Brankovan kann flüchten und so muss die Polizei alles weitere tun, um ihn zu fassen…

Besprechung:

Nun, Rostro Infernal ist wieder der typische Mexikanische Genrefilm aus der Hochzeit des phantastischen Kinos des Landes so um 1960 herum. Und doch ist er wieder anders. Er hat alles, was man braucht und erwartet und was man so auch schon sehr oft gesehen hat: Ein Mad-Scientist, der zumal nach der Unsterblichkeit strebt (das hatten wir ja erst neulich in La Marca Del Muerto) und Leute entführt. Hinzu kommt ein Kommissar und ein paar muskulöse Kämpfer, die vom Mad-Scientist ins Feld geführt werden – allerdings sind’s leider keine Wrestler, sondern „nur“ Homunculi, aber darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Das Skript und die Story bewegt sich also im erwartbaren Rahmen und fährt mit keinerlei inhaltlichen Überraschungen auf. Wer derlei Filme kennt, der wird wissen, was wie wann passiert, da macht der mexikanische Genre-Film keine Ausnahme. Die Geschichte bewegt sich nun zwar in bekannten Linien, kann niemals richtig an Fahrt aufnehmen, überbrückt die Zeit zwischen den Action-Sequenzen aber trotzdem durchaus gekonnt. Wie schon in den vorigen beiden Reviews zu mexikanischen Horrorfilmen (La Cabeza Viviente und La Marca Del Muerto) würde ich sagen: Der Streifen ist mit knapp 80 Minuten nicht wirklich lang, aber dennoch auch nicht wirklich kurzweilig. Er lässt sich z.B nicht so frei von der Leber weggucken wie so mancher El-Santo Film, aber das liegt natürlich auch an meiner westeuropäischen Sicht, und die Sprachbarriere macht das Ganze nicht unbedingt leichter. Erneut musste ich auf die automatisch Übersetzten Untertitel einer YouTube-Version zurückgreifen, und dass diese alles andere als perfekt sind, ist klar. Die Story konnte ich so trotzdem verfolgen, nicht unbedingt aber jeden Dialog.

Dennoch will ich mich mal aus dem Fenster lehnen und das Skript von Alfredo Ruanova (schrieb nicht nur The Witch’s Mirror sondern auch die Nostradamus-Reihe) mal zumindest nicht als schlecht bezeichnen. Die Grundidee verdiente auch im Jahre 1963 keinen Innovationspreis, aber, wie gesagt: Ruanova schafft es mehr oder weniger immer, den Zuschauer bei Laune zu halten. Die Action-Sequenzen, die der Streifen bietet, würden auch beim schlechtesten Drehbuch der Welt unterhalten (da kommt es ja auch auf die Effekte an, und nicht auf den Inhalt). Abseits davon aber spinnt Ruanova zusätzlich den ein oder anderen ganz netten Dialog: Er verzichtet auf übertriebene Melodramatik, eine Romanze gibt es nicht wirklich, und wenn der Mad-Scientist von alten Alchemisten und deren magischen Fähigkeiten palavert, dann ist das zumindest nicht langweilig. Der Streifen ist hier und da durchaus etwas geschwätzig, aber in der Hinsicht z.B besser als La Marca Del Muerto oder La Cabeza Viviente, wo die Dialoge ja kaum etwas Interessantes zu bieten hatten.

Außerdem schafft es Ruanova auch, die Charaktere durchaus mit interessanten Ansätzen zu versehen. Graf Brankovan ist nicht einfach nur per se der Mad-Scientist, der die Welt erobern will – in manchen Szenen wird eine Ambivalenz angedeutet, etwa, wenn er seine Freundin Vicky erwürgen will, die Hände aber im letzten Moment zurückzieht. Allerdings wird diese Ambivalenz nicht herausgearbeitet oder überhaupt sinnig zu Ende geführt: Weil Vicky das kriminelle Leben von ihm nicht erträgt, lässt Brankovan seinen Gefangenen frei – nur um dann wieder ein Mädchen zu entführen. Zusammen mit dem Faktum, dass er schon hunderte Jahre alt ist, hätte das einen durchaus tieferen Charakter zugelassen, der etwas über das Leben hätte philosophieren können. Ich habe, wie gesagt, nicht jedes Wort verstanden, oder jeden Dialog komplett begriffen, aber ich denke, dass Ruanova hier aus dem Bösewicht etwas mehr hätte machen können. Letztendlich bleibt es nämlich nur bei Ansätzen, denn zum Schluss ist Graf Brankovan doch nur der generische Mad-Scientist, der die Welt unterjochen will. Ähnlich bleibt es bei seiner Freundin Vicky, bei der es das Skript auch versäumt, eine sinnige Charakterisierung durchzuführen. Am Anfang scheint sie ihm treu ergeben, dann zweifelt sie, dann kommt sie wieder zu ihm und wendet sich dann doch wieder ganz ab.

Abseits davon von Brankovan und Vicky gäbe es dann höchstens noch Inspektor Portillo und seinen Kollegen Jorge, die aber völlig uninteressant sind. Sie sind eben ganz gewöhnliche Polizisten und haben keinen Charakter. Besser wär’s gewesen, wenn es Brankovan stattdessen mit nem Wrestler zutun bekommen hätte! Hinzu kommt etwas Füllmaterial, denn da Brankovans Freundin nun mal im Nachtclub arbeitet, werden die dortigen Tänze und Jazz-Einlagen etwas ausgewalzt... aber irgendwie war das nicht nervig, denn die Musik war gar nicht mal so schlecht.

Nun denn, das Skript verschenkt etwas an Potenzial, aber gut, darüber will ich mich bei einem mexikanischen Horrorfilm von 1963 eigentlich nicht echauffieren. Der Kern der Sache sind und bleiben nun mal die Schauwerte. Und da macht Rostro Infernal keine schlechte Figur. Den herrlichen Gothic-Ton, den la maldicion de la llorona so unwiderstehlich machte, und der auch in La Marca Del Muerto und La Cabeza Viviente noch vorhanden war, wurde hier nun allerdings vollkommen getilgt. Es gibt keine von Spinnenweben verhangene Korridore mehr, der Film verlässt sich ausschließlich auf ein einziges, aber wie gewohnt hübsch-pulpiges Mad-Scientist Labor. Und da ließ man sich nicht lumpen: mal wieder blickt und raucht es und es gibt sogar eine Vorrichtung, um den Opfern Brankovans den Gehirnsaft abzuzapfen! Insgesamt kommt der Film so also deutlich „amerikanischer“ vor: Die Sets sind weniger plastisch und kühl, als in den anderen von mir gesehenen mexikanischen Filmen, und es gibt mehr Außenszenen, anstatt das alles im Studio gedreht wurde.

Neben dem Mad-Scientist Labor bietet der Streifen aber auch gelungenes Make-Up, was Brankovan betrifft. Da er inzwischen ja schon hunderte Jahre alt ist, ist sein Gesicht dementsprechend verschrumpelt, und wenn er mal nicht seine Gesichtsmaske zur Hand hat, hat das klassischen Gruselcharme. Hinzu kommt der obligatorische stumme Diener (allerdings ohne Buckel) und schließlich seine Homunculi, die Brankovan bei Bedarf aus ihren Kästen loslässt. Durch sie kommt auch eine Frankenstein’sche Note in die Story: Brankovan hat offenbar auch irgendwie das Element des Lebens gefunden und erschuf so sein eigenen Menschen, allerdings nicht aus Leichenteilen, sondern praktisch aus dem Reagenzglas. Neben der „Frankenstein-Variante“, Leben zu erschaffen, ist diese Idee des künstlichen Lebens allerdings im phantastischen Film etwas in Vergessenheit geraten, obwohl sie in der Frühzeit des Kinos oft bearbeitet wurde: Zum Beispiel im deutschen Serial Homunculus (1916) oder in diversen Verfilmungen von Alraune.

Die Homunculi hier entpuppen sich zwar als etwas unspektakulär, aber sind dennoch relativ amüsant. Einfach eine Truppe stummer, weißhaariger Muskelprotze, die auf Befehl angreifen. Am Ende werden sie durch die Polizei mithilfe von Taschenlampen dazu gebracht, sich gegenseitig zu zerfleischen, was ich zugegebenermaßen allerdings nicht verstanden habe...

Regisseur war der designierte Alfredo B. Crevenna, der hauptsächlich im phantastischen B-Film werkelte. In Santo el enmascarado de plata vs. la invasión de los marcianos (1967) ließ er El Santo auf Außerirdische los, El látigo contra Satanás (1979) einen Revolverhelden auf den Teufel (oder so) und mit Aventura al centro de la tierra lieferte er die mexikanische Version der beliebten Jules Verne Geschichte ab – die habe ich sogar schon gesehen (war ganz lustig). Er war bestimmt kein Auteur und filmt das Ganze hier über weite Strecken zweckmäßig ab, nur ab und zu kommt ein bisschen Raffinesse ins Spiel. Ein, zwei Close-Ups, ein zwei Spielereien mit Schatten, mehr gibt es an „Kunst“ allerdings nicht zu sehen.

Dafür sieht es bei den Akteuren nicht schlecht aus. Die wichtigste Rolle ist, das ist klar, die des Grafen Brankovan. Gespielt wird sie von Eric Del Castillo, der mit 90 Jahren sogar noch unter uns weilt. Er hatte eine Statistenrolle in Bunuels Der Würgeengel, war aber ansonsten hauptsächlich im B-Kommerzfilm zu Gegen, wie etwa in The Panther Women. Hier zeigt er sich als Mad-Scientist durchaus spielfreudig und bringt auch eine gewisse Gravitas in die Rolle – insgesamt bei weitem nicht der vergessenswerte Mad-Scientist Schauspieler! Als seine Freundin Vicky „überzeugt“, im Kontext ihrer beschränkten Figur, Rosa Carmina, die zumindest glaubwürdig Trauer und Angst mimen kann. Jaime Fernandéz gibt dann noch den generischen Inspektor, ohne wirklich aufzufallen – obwohl er sogar noch die größte Karriere des Ensembles vorweisen kann. In einer kleineren Rolle spielte er sogar neben dem Kinski in A Bullet for the General und war als Freitag in Bunuels Robinson Crusoe zu sehen. Ansonsten verliert sich seine Karriere aber auch schnell im B-Film Mexikos.

Zu sehen gibt’s den Film auf YouTube. In meiner Version ist der Film allerdings in Kapitel unterteilt. Ich spekuliere, dass es vielleicht sogar ursprünglich ein Serial war? Allerdings kann ich das nicht sagen, weil es zu dem Film eben kaum Informationen gibt. Angeblich soll er als The Incredible Face of Dr. B 1964 auch in die USA importiert worden sein, aber bis auf die Daten aus der IMDB gibt es dafür keine Beweise – es fehlt auch ein US-Kinoplakat. Der Streifen war aber offenbar zumindest im eigenen Heimatland so erfolgreich, dass man noch im selben Jahr die Fortsetzung La Huealla Macabra nachschob – wenn ich eine ansehnliche Version finde, wird diese sicherlich irgendwann mal hier rezensiert.

Fazit:

Rostro Infernal ist, da wird sich jeder einig sein, kein vergessenes Meisterwerk, aber auch mal wieder kein Reinfall. Ein völlig bodenständiger B-Horrorfilm, der annehmbar produziert ist. Nicht mehr, und nicht weniger!

6/10 Punkten.