Original-/Alternativtitel: Master of the World
Jahr: 1961
Regisseur: William Witney
Schauspieler: Vincent Price (Robur), Charles Bronson (John Strock), Henry Hull (Prudent), Mary Webster (Dororthy Prudent), David Frankham (Philip)
Vorwort:
Dass die Kritik zu Der Unsichtbare kehrt zurück bisher die einzige zu einem Price-Film war, ist nach wie vor eine Schande. Das ändert sich nun aus gegebenem Anlass. Ich war zu Gast bei der Premiere der Vincent-Price-Doku The Vincent Price Legacy in der Schauburg, wo auch seine Tochter, Victoria Price, zu Gast war. Die Doku lieferte weniger einen absoluten Überblick über seine Filmographie, als eher persönliche Einblicke in sein Leben. Eine große Ehre war es, dass ich ein paar Worte mit Victoria Price wechseln, (die auch sehr gut Deutsch spricht, wie ich ihr gegenüber bemerkte) und ihr sagen durfte, dass ich mich einen großen Fan ihres Vaters nenne. Signieren ließ ich mir das Filmplakat der Doku (vor Ort für 5 Euro gekauft) und das Wicked-Vision-Mediabook von Der Hexenjäger. Eine sehr, sehr schöne Sache
Und deswegen gibt’s heute nochmal einen Price-Film!
Inhalt:
In der Nähe von Philadelphia befindet sich ein inaktiver Vulkankrater. Eines Tages jedoch gibt es Erdstöße und eine mysteriöse Stimme erschallt aus dem Krater. Der Staatsangestellte John Strock will dem auf dem Grund gehen. Zusammen mit dem Waffenfabrikanten Prudent, seiner Tochter Dorothy und deren Liebhaber Philip, wollen sie den Krater von oben aus einem Heißluftballon untersuchen. Doch kaum nähern sie sich diesem, werden sie mit Raketen beschossen! Sie stürzen ab und als sie aus ihrer Ohnmacht erwachen, befinden sie sich als Gefangene auf dem Luftschiff des mysteriösen Robur. Dieser will die Welt befrieden und stellt an alle Länder ein Ultimatum: Sie sollen ihre Waffen abgeben oder Robur zerstört ihre Armee und Marine!
Besprechung:
Man mag den guten alten American International Pictures vorhalten, was man will, z.B, dass die der zahlenden Kundschaft gerade in ihren Anfangsjahren so manches zumuteten (man schaue sich nur eines ihrer Erstlingswerke an, Ausgeburt der Hölle) oder dass sie ihre Angestellten vielleicht nicht immer allzu nett behandelten (sowohl die Schauspieler als auch z.B die Effektspezialisten wie Paul Blaisdell, aber auch Vincent Price selbst), aber eines nun immerhin nicht: Dass sie sich nicht weiterentwickelt hätten. Kostete Ausgeburt der Hölle zwischen 20.000 und 25.000 Dollar, mauserte sich der Fabrikant für drittletzten Drive-In Schlock, der AIP einst war, zum Fabrikanten von netten B-Filmen, die sich nicht zu verstecken brauchten. Corman fing mit da mit den Poe-Filmen an und nebst dem importieren von ausländischen Filmen (z.B einiger Toho-Werken oder Gothic-Horror aus Italien wie Die Stunde wenn Dracula kommt, letzteren kaufte man für nur 100.000 Dollar für den US-Markt ein), brachte AIP in der ersten Hälfte der 60er Jahren gar so manches, man möge das Wort bei AIP kaum gebrauchen, Prestigeprojekte heraus! Neben dem grotesken Dr. Goldfoot und seine Bikinimaschine, der erste AIP, der über eine Millionen Dollar kostete, setzte die Produktionsschmiede 1961 auch auf den Verne-Trend. Seit Disneys Mega-Produktion 20.000 Meilen unter dem Meer von 1954, wurde Verne wieder sehr beliebt bei den hiesigen Produzenten, wie er es seit den Zeiten von Méliès nicht mehr gewesen war. Es folgten mit In 80 Tagen um die Welt (1956), Die Erfindung des Verderbens (1958), Von der Erde zum Mond (1958), Die Reise zum Mittelpunkt der Erde (1959), Die geheimnisvolle Insel (1961) schließlich eine ganze Reihe an Verne-Adaptionen, die von schlecht bis grandios reichten. Da reihte sich AIP gut ein und entschieden sich für einen eher unbekannteren Roman des Meisters, nämlich „Robur der Eroberer“ von 1886. Das Budget soll zwischen 250.000 und 500.000 Dollar gelegen haben, was für AIP ja nun wirklich die Welt war, und mit Vincent Price holte man dann auch noch den großen Leading-Man hinzu. Ach ja, und ein jüngerer Charles Bronson ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ebenfalls an Bord.
Ich mag Jules Verne sehr, sehr gerne. Ich weiß gar nicht, ob ich das hier in irgendeiner Review schon mal gesagt habe, aber wir haben dem alten Franzmann enorm viel zu verdanken. Zusammen mit H.G Wells erfand er die moderne Science-Fiction praktisch im Alleingang (jaja, da wird es wieder Besserwisser geben, man darf auch so Leute wie Kurd Laßwitz nicht vergessen). H.G Wells war mit Werken wie Die Zeitmaschine, Kampf der Welten und nicht zuletzt Die Insel des Dr. Moreau für die Philosophie zuständig und erhob das Genre zu etwas Höherem, auf das nicht mehr ausschließlich geringschätzig herabgeblickt wurde. Verne hingegen zelebrierte das Abenteuer, die Epik, schrieb er doch seinerzeit für den Verleger Pierre Jules-Hetzel und seiner Jugendbuchreihe. Verne und Wells ergänzen sich wunderbar und als Fan des Phantastischen sollte man ihre Werke mal gelesen haben, da kommt man nicht herum. Man muss es sich ohnedem mal vorstellen, wie weitsichtig Verne war: U-Boote, Elektrizität, all das erhob er schon in den 1870er Jahren zu zukunftsträchtigen Erfindungen. Eine faszinierende Sache ist freilich, dass das erste Atom U-Boot der US-Marine 1954 auf den Namen Nautilus getauft wurde. Verne, ein Mann der in den 1870er Jahren schrieb, wurde indirekt zum Namensgeber dieses revolutionären technischen Geschöpfes. Wenn das der pazifistisch veranlagte Verne nur geahnt hätte…
Über die schriftstellerischen Qualitäten kann man sicherlich streiten und viele werden Wells als den besseren Handwerker betrachten. Ich für meinen Teil mag, wie gesagt, beide Autoren für ihren eigenen Stil. Verne schrieb sehr episodisch, was nun mal auch dem Veröffentlichungsstil von Hetzel zu Grunde lag (die Werke kamen auch erst episodisch in dessen Magazin heraus). Überhaupt schöpfte Verne immer wieder die gleichen Dramaturgien aus: Seine Hauptfiguren waren meistens exzentrische, reiche Lebemänner mit Erfinder- und Entdeckungsgeist, die des Öfteren von autoritätshörigem Dienern begleitet wurden (die von niemandem so treffend verkörpert wurden wie von Peter Lorre als Conseil). Und die Antagonisten waren klassische Antihelden, mysteriöse Meistererfinder, die ihrer eigenen, inneren Moral folgten.
Ich habe Robur der Eroberer nicht gelesen, aber es scheint mir, dass Verne hier einfach all seine typischen Elemente zusammengebaut hat. Es ist praktisch 20.000 Meilen unter dem Meer, nur mit einem Luftschiff statt einem U-Boot. Man hat einen Meistererfinder, der die Welt mit Waffengewalt zum Frieden bringen will und ein paar unfreiwillige „Gäste“ auf sein Schiff holt, die zuvor die von Robur erschaffenen Mysterien erkunden wollten. Das ist praktisch genau Kapitän Nemo, nur eben über dem Meer.
Die Aufgabe, das Buch in ein filmtaugliches Skript zu verwandeln, oblag dem legendären Richard Matheson, den man als Horrorfan von Wert kennen MUSS, deswegen hier nur die Kurzfassung. Mit I am Legend schrieb er ein wegweisenden Horrorroman, und im Film lieferte er Skripts für Klassiker wie Die unglaubliche Geschichte des Mr. C oder Hammers The Devil Rides Out. Für AIP schrieb er auch die Corman-Poe-Filme, also war er logischerweise der Man-to-Go bei Robur. Hier kann ich nun kein wirkliches Fazit fällen, denn dazu müsste ich die Vorlage gelesen haben, aber wenn ich ebenjene richtig Einschätze, dann hat Matheson die Story einfach eingedampft und auf ein normales Maß zusammengestrichen. Wie gesagt, Verne schrieb gerne ausschweifend, besonders in 20.000 Meilen unter dem Meer fällt das auf. Aber das, was bei Büchern funktioniert, funktioniert bei Filmen oftmals nicht, das war schon das Problem bei der Disney-Verfilmung, wo der erste Skript-Entwurf, wenn ich mich richtig erinnere, gar einen dreieinhalb-Stunden langen Film ergeben hätte. Trotz einiger Kritik an der Dramaturgie legt der Film aber ein gutes Pacing an den Tag, hält sich nicht mit unnötigem Quatsch auf (die Romanze bzw. Dreiecksbeziehung etwa zwischen Strock, Dorothy und Philip wird kaum angesprochen, sondern hier und da nur durch Mimik und Gestik initialisiert) und es dauert nicht lange, bis man Robur zu Gesicht bekommt. Am Anfang geht alles ganz fix: Robur bequatscht die Stadtbewohner mit seinem Mikrofon, Strock will der Sache auf den Grund gehen und holt den Ballonfahrer Prudent hinzu und zack – schon sind sie Gefangene von Robur. Die Dialoge sind, gerade die zwischen Price und Prudent, gelungen und bieten sogar etwas zum Nachdenken (wenn auch nur auf seichtem Niveau) und man kann mit den Figuren sogar mitfiebern, was gerade am Ende wichtig ist. Über 100 Minuten wird es nicht langweilig, da hatte Matheson, wie so oft, den richtigen Riecher. Ein paar Fragen bleiben nur offen, z.B, woher Robur bitte genug Nahrung und überhaupt Bomben bekommt. Er zerstört ja ganze Flotten, also müsste er ja jedes Mal tonnenweise Sprengpulver und Stahl irgendwo herbekommen, und dass, obwohl er mit dem Luftschiff niemals landet.
Die Inszenierung ist ebenfalls, ich will nicht sagen prächtig, aber nett anzusehen geworden. Der Streifen wirkt zwar immer noch wie ein B-Film, klar, aber von den Z-Produktionen nur ein paar Jahre zuvor, wo man das Sparen an allen Ecken und Enden klar erkennen konnte, hat sich AIP hier endlich distanziert. Der Streifen versprüht auf jeden Fall die typische Verne-Atmosphäre, das eines Abenteuers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Luftschiff hat ein einprägsames Design und sieht cool aus. Das Innere ist zwar nicht opulent ausgestattet, aber zweckmäßig, was ja auch im Kontext der Handlung Sinn macht. Die Kostüme sind simpel, aber passend, gerade der Aufzug von Price ist mit seiner weißen Jacke und der weißen Schiefermütze macht was her. Das, was man sieht, ist gelungen, nur gibt’s halt nicht allzu viel Abwechslung. Bis auf den Anfang und das Ende gibt es keinerlei Szenen außerhalb des Luftschiffes. Der Start in der kleinen Stadt im US-Mittwesten erinnert etwas an 20.000 Meilen unter dem Meer, auch in Sachen Kostüme und Ausstattung der Straßen, aber wir sind halt trotz allem immer noch bei AIP, da konnte man sich mehrere größere Sets nicht leisten (oder man wollte es nicht). Der Rest des Films wird mit Stock-Footage aufgefüllt, ob es nun irgendwelche Landschaften von oben sind oder diverse Kriegsszenarien wie explodierende Schiffe oder Kolonialschlachten. Man bediente sich u.a bei den älteren Großproduktionen Lord Nelsons letzte Liebe, Vier Federn und Heinrich V. Glücklicherweise ist das Stock-Footage aber zumindest relativ sinnig in den Film eingefügt, sodass es nicht zu sehr nervt. Man erkennt zwar immer, dass die Bilder nicht zu 100% zusammenpassen, aber bei AIP kann ich das hier jetzt verzeihen. Nett sind auch die paar Modelle, die man angefertigt hat, z.B von dem Heißluftballon oder dem Luftschiff, und die unbeweglichen Playmobilartigen-Figuren, die die Charaktere in diesen Shots darstellen sollen, gehören ebenso dazu. Erwähnenswert ist auch, dass hier ebenfalls, wie schon bei Der Herrscher von Cornwall, Jim Danforth als junger Spezialeffektkünstler angeheuert worden war.
Positiv bemerkbar macht sich auch die Regie von William Witney, einem Routinier, der zahllose Serials auf dem Kerbholz hat, z.B den „Klassiker“ The Crimson Ghost oder SOS Coastguard mit Lugosi bei Republic (durch das ich mich, man muss es leider sage, gerade Folge per Folge eher durchquäle). Die Kameraarbeit ist deutlich besser als in den anderen AIP-Filmen, da kommt die Bewegung auf, die man in den engen Sets des Luftschiffs braucht.
Der Cast überzeugt ebenfalls, allen voran selbstverständlich Vincent Price. Die Rolle des manischen, besessenen Robur, der gerne selbstüberzeugte Reden hält, passt zu ihm perfekt und er lässt, wie gewöhnlich, nichts anbrennen. Da ist er mit Energie und Leidenschaft dabei, wie man es von Price gewöhnt ist, und man verdankt es seiner Art, wie Victoria Price es korrekt beschrieb, dass irgendwie trotz allem auf der Seite der von ihm dargestellten Antihelden steht.
Die Gemüter trennen sich allerdings bei Charles Bronson, der zuvor schon an der Seite von Price in Das Kabinett des Professor Bondi gespielt hatte. Ich sehe in Bronson keinen großen Meister, habe von seinen Action-Filmen bisher auch kaum was gesehen. Hier geht er selten aus sich raus, hat aber eine Kernigkeit, die zu der Rolle passt. Ein alternder Henry Hull, der schon einst den ersten Werwolf in Universals Werewolf of London spielte, ist hier als Waffenfabrikant Prudent wie Vincent Price mit Spielfreude und Energie dabei und wenn er mit Robur diskutiert, sieht man auch die Nuancen, die er manchmal in seine Performance legen konnte. Außerdem sorgt er manchmal auch für etwas gelungenes Amüsement, ebenso wie der Koch des Luftschiffes, dessen Küche immer wieder durch die Turbolenzen in Chaos gerät. Das sind gelungene komödiantisch-angehauchte Einschübe, ganz im Gegenteil zu den Comic-Reliefs älterer Tage.
Kaum erwähnenswert sind hingegen Mary Webster als Dorothy und David Frankham als Philip. Webster spielte hauptsächlich im Fernsehen und bleibt als Dorothy sehr blass. Frankham hatte mit Price schon in Die Rückkehr der Fliege und Tales of Torror mitgewirkt, hat hier aber auch eine recht unsympathische Figur zu spielen, in der er kaum auffällt. Price stiehlt die Show, Hull und Bronson geben gefällige Auftritte ab.
Robur – Herr der sieben Kontinente liegt mir in einer kleinen Mediabook-Edition von Plaion Pictures vor. Man eine Bonus-Doku über Richard Matheson, die Qualität ist gut und das Mediabook schaut gut aus. Man kriegt es für knapp 15 Euro auf jeder Börse wie auch online, neu, wohlgemerkt. Andere Labels würden für sowas 35 Euro Aufwärts berechnen, man betrachte die Neuveröffentlichung des Price-Films The Bat von Retro Gold63, das als Mediabook 40 Euro kostet. Das ist, mit Verlaub, viel zu teuer, und man sieht an der Edition von Robur, das es auch anders geht.
Fazit:
Robur ist nicht ohne Fehler, keine Frage. Aber wer Verne-Stories mag, und dann auch noch Fan von Vincent Price ist, kommt hier kaum drum herum.