Original-/Alternativtitel: He Lived to Kill | Een nacht vol verschrikkingen | Noche de terror
Jahr: 1933
Regisseur: Benjamin Stoloff
Schauspieler: Bela Lugosi (Degar), Wallace Ford (Tom Hartley), Sally Blane (Mary Rinehart), George Meeker (Professor Arthur Hornsby), Mary Frey (Sika)
Vorwort:
Weiter geht’s, ja mit wem wohl? Anhand des Plakats sieht man es ja schon groß und breit: Wieder einmal steht Bela Lugosi mit grimmigem Blick auf der Türschwelle und der Fan ahnt böses. Aber keine Angst: Diesmal sind es weder Zombies, noch Affen- oder Steinzeitmänner. In der Tat habe ich mir diesmal einen Film aus seiner „Hochzeit“ ausgesucht. Nach Murders in the Rue Morgue war es nun leider so, dass Universals neuer Horror-Star der Boris war, sodass Lugosi sich erstmal woanders umschauen musste. Es folgten eine Reihe an Filmen bei verschiedensten Studios und einer davon war 1933 Night of Terror von Columbia. Immerhin ja schon ein Studio mit einem guten Ruf, wenn auch damals nicht so groß wie Universal, aber trotzdem ein paar Stufen über der berüchtigten Poverty-Row. Bei Lugosi frage ich eh nie nach, aber der Titel klang sehr vielversprechend.
Inhalt:
Der irre Mörder geht um und hat bereits zahlreiche Opfer gefordert. Schließlich streift er auch um das Anwesen der Rineharts und versucht, sich dort Zutritt zu verschaffen. Im Inneren will Dr. Hornsby indessen ein Experiment wagen: Er hat ein Serum erfunden, dass es einem ermöglicht, ohne zu atmen zu überleben. Um dies zu beweisen, will er sich für eine bestimmte Zeitspanne in einen Sarg legen und lebendig begraben lassen. Behilflich ist dabei sein Diener Degar. Doch alsbald geschehen auch erste Morde im Haus und das Ruft nicht zu Letzt den Reporter Tom Hartley auf den Plan, der Freund von Mary Rinehart. Können sie den irren Mörder aufhalten?
Besprechung:
Ja, das ist doch (wie ich es eigentlich bei fast jeder Lugosi-Kritik sage) mal wieder ganz typisch. Da es diesmal aber kein Mad-Scientist-Vehikel, sondern ein Whodunit ist, war es zumindest für mich eine Abwechslung. Der Film wird zwar auch als Horror benannt, aber es gibt keinerlei übernatürlichen Momente (insofern man eine Séance ohne Geister nicht dazu zählt) innerhalb der Handlung. Freilich will ich dem Werk nicht absprechen, zumindest damals durchaus seine gruseligen Szenen gehabt zu haben. Ohnehin ist die Story (geschrieben von gleich drei Schreiberlingen, die ansonsten nichts Bekannteres zu Papier gebracht hatten) ziemlich slashermäßig. Natürlich will ich nicht sagen, dass dieser Film hier auch nur irgendeinen Einfluss auf die spätere Genre-Entwicklung gehabt hätte, dazu ist er dann noch zu unbekannt, aber es gibt doch die ein oder andere Sache, die an die späteren Versatzstücke des Schlitzer-Genres erinnern. Natürlich erstmal der Killer (trögt hier zwar keine Maske, sieht aber trotzdem aus wie ein bekloppter Zausel), der bei Nacht herumstreift und Leute erdolcht: Passend dazu ist das erste Opfer ein Pärchen im Auto, das da gerade zu Gange ist. Natürlich sind wir im Jahre 1933, da wird vor der Tat weggeschnitten, aber zur Zeit des Hays-Code wäre diese gewisse Szene hier zumindest vom Zensur-Büro äußerst kritisch beäugt worden. „Brutal“ ist es natürlich trotzdem nicht, die Morde werden der Fantasie des Zuschauers überlassen und anders als z.B in The Black Cat gibt’s auch keine Andeutungen von gesteigerter Grausamkeit.
Fangen wir aber von vorne an. Wie gesagt, die Story hat mal wieder alles, was man von einem Whodunit dieses Jahrgangs erwarten darf. Im guten wie im schlechten: Eine Frau, die nichts anderes kann als schreien, einen mysteriösen Butler, einen vorlauten Reporter und einen dunkelhäutigen „Comic-Relief“-Charakter, der natürlich etwas doof und überängstlich ist. Ja, so war das damals. Aber wie ich auch schon in der Kritik zu Zombies on Broadway schrieb: An „Schneeschuh“ aus Charlie Chan in Ägypten kommt in Sachen Hollywood-Rassismus nichts mehr heran.
Die Versatzstücke werden dann noch durch einen Wissenschaftler angereichert, der aber nicht per se Mad ist. Dr. Hornsby ist Erfinder eines Serums, dass einem erlaubt, ohne zu Atmen zu überleben, weshalb er sich als Beweis für eine gewisse Zeit unter die Erde setzen will. Das spielt erstmal keine große Rolle, wird es aber noch, aber aus Spoiler-Gründen will ich hier nichts verraten. Tatsächlich kann ich aber sagen, dass das Ende diesmal wirklich überraschend war und im Vergleich zu den anderen Lugosi-Whodunits (The Death Kiss, Murder by Television und The Black Camel) war ich hier sogar daran interessiert, wer denn nun der Mörder war.
Das liegt nun vor allem daran, dass das Drehbuch nicht überfrachtet ist und eigentlich auch keine Ermittlungen angestellt werden. Klar, ab und zu mag ich Krimis (vor allem Columbo und die Hercule-Poirot Streifen), aber eigentlich bevorzuge ich dann doch das hirnlose killen á la Slasher, wo am Ende halt einfach jemand als Mörder enttarnt wird, ohne dass irgendjemand herumlaufen muss und kombiniert. Im Grunde passiert auch nicht wirklich viel: Dr. Hornsby nimmt das Experiment an sich vor, Mary muss sich mit dem unverschämten Reporter auseinandersetzen und Degar darf unentwegt mysteriös gucken. Das funktioniert aber, weil der Film mit dem Herrenhaus ein durchaus brauchbares Set aufweist und weil die Mord-Szenen gekonnt atmosphärisch inszeniert sind (mit Schatten oder eben einfach deswegen, weil der Mörder schön bekloppt guckt). Bis auf ein, zwei Füllszenen (fahrende Autos etc.) spielt alles im Anwesen der Rineharts, aber in den 60 Minuten passiert eben auch immer genug, um den Fan bei der Stange zu halten. Der Body-Count ist indessen auch nicht gerade gering über die ein, zwei kleinen Längen kann man hinwegsehen.
Also, das Drehbuch bietet keine große Hirnarbeit was etzwaige Ermittlungen angeht (weil es die eben nicht gibt) und konzentriert sich stattdessen auf den „Terror“-Teil, wenn man so will. Aus heutiger Sicht ist dieser, wie oben angeführt, natürlich handzahm, aber er bietet eine wohlige Schauer-Atmosphäre. Gehörig dazu beitragen tut natürlich, man errät es, Bela Lugosi als Diener Degar. Die Rolle ist Lugosi wie auf den Leib geschneidert und er füllt sie ein ums andere Mal perfekt aus. Niemand konnte eben so mysteriös und bedeutungsschwanger gucken (und er guckt hier wirklich sehr oft mysteriös und bedeutungsschwanger). Als Trinkspiel empfehle ich, bei jeder Szene, in der jemand durch einen Türspalt glotzt, einen zu heben.
Lugosi hat zwar nicht wirklich die Hauptrolle (eigentlich gibt’s hier auch keinen wirklichen Figuren-Fokus, trotzdem bekommt Top-Billing), aber er bekommt ein paar Close-Ups und spielt vor allem am Ende eine tragende Rolle. Auch seine Screen-Time wird den Fan zufrieden stellen. Kurzum: Bela als Turban-tragender Red-Herring geht immer.
Nun, der Rest des Casts reißt, wenn Lugosi einmal da ist und jede Szene, in der er da ist, an sich reißt, keine, äh, Bäume aus. Die nächstwichtigere Figur (zumindest von der Screen-Time her, eigentlich ist sie bedeutungslos) ist die obligatorische Frau im Haus. Als Mary Rinehart hat Sally Blane (die nicht gerade eine große Karriere hatte, aber gerad ein den 30ern ab und zu in kleineren Produktion zu sehen war) nicht mehr zu tun, als schön zu sein. Sie ist, auch das errät man, die Frau, die gerettet werden muss. Als frühe „Scream Queen“ macht sie eine annehmbare Figur und dazu gehört freilich auch, sich die dummen Sprüche von irgendeinem Mann anzuhören. Und diesmal ist dieser Mann, in Form vom berüchtigten Wallace Ford, wirklich dumm. Als vorlauter und ach so toller Reporter gab er sich ja auch schon in den Lugosi-Vehikeln The Mysterious Mr. Wong und The Ape Man die Ehre und ich nehme an, dass er in Universals The Mummys Tomb eine ähnliche Rolle hatte (den habe ich mir allerdings noch nicht zu Gemüte geführt). Nun, in The Ape Man fand ich ihn nicht wirklich auffällig und in The Mysterious Mr. Wong hat seine Art sogar funktioniert, meiner bescheidenen Meinung nach zumindest, da dürften mir aber nicht viele Kritiker zustimmen. Hier ist er nun aber deutlich „schlimmer“ als in den anderen Filmen zusammen. Er macht, auch das errät man, nicht viel, außer rumzustehen, rumzuschnüffeln und Mary ungefragt und ungeniert zu küssen (was diese, dem Zeitgeist entsprechend, aber offenbar nicht so schlimm findet). Naja, es ist aber trotzdem noch auszuhalten, weil der Film auch genug gute Szenen ohne ihn hat.
Aufhängen werden sich die Moralisten freilich wieder an dem auch obligatorischen dunkelhäutigen Comic-Relief-Charakter. Der Fahrer der Rineharts ist so, wie das rassistische (und das war es eben) Hollywood-Bild der 30er eben war: Die dunkelhäutigen sind naiv, aber treu und eigentlich nicht zu viel zu gebrauchen. Der Fahrer zittert immer übertrieben und versteckt sich bei der Séance dementsprechend auch, trotzdem ist er sympathisch und: Diese Art von Figur war übrigens in Murder by Television (zu dem ich übrigens deswegen keine Kritik gemacht habe, weil es zu dem einfach nicht viel zu sagen gibt) auch deutlich schlimmer.
Die restlichen Akteure sind dann nicht mehr von so großer Bedeutung. Als Sika, Degars Frau und Medium, sehen wir noch in einer passenden exotischen Rolle Mary Frey, die ansonsten nirgendswo mehr auftrat. Lustigerweise verlinkt Wikipedia zu einer Frau, die erst 1948, also Jahre nach dem Film, geboren wurde. Die IMDB gesteht ihr noch zwei Arbeiten bei völlig vergessenen Filmen als „Secretary to Producer“ zu, wo sie aber nicht genannt wurde. George Mecker liegt als Professor Hornsby die meiste Zeit über in der Kiste, ist als schlauer Prof aber glaubwürdig genug, er hatte ansonsten aber keine Rollen in Horrorfilmen mehr (wenn man Statistenrollen in z.B Son of Dracula nun außen vorlässt).
Den Regisseur, Benjamin Stoloff, dürfte man nun kaum kennen. Hier legte er so ziemlich sein bekanntestes Werk ab, ansonsten wäre noch The Mysterious Doctor von 1943 und By whose Hand? Von 1932, ebenfalls ein Whodunit, für die Genre-Freunde interessant. Wirklich bemerkbar macht sich seine Arbeit hier nicht, im Grunde filmt er alles eher statisch wie in einem Theaterstück ab. Aufgelockert wird es aber wie bereits beschrieben durch ein paar Close-Ups von Lugosi oder von Sika in der Séance, aber ansonsten bleibt die Kamera eher still stehen.
Auch das Ende will ich nochmal beleuchen. Keine Angst, ich spoiler nicht, aber da es wieder so ein bisschen ein „Meta“-Ende ist, komme ich da nicht drum herum. Gottseidank war es kein doofer Witz wie in The Ape Man (das wird mir auch nicht mehr aus dem Kopf gehen), nein, eigentlich war es ein cooles Ende: Der irre Killer schaut in die Kamera (und seine Maske ist ja doch durchaus gelungen, dass muss man zugeben) und bittet die Zuschauer, anderen etwaigen Kinobesuchern das Ende nicht zu spoilern. Sonst würde er Nachts in ihre Schlafzimmer steigen. Das ist doch mal was!
Fazit:
Also, was soll ich sagen? Night of Terror hat mich überraschend gut unterhalten. Es ist ein ernsthafter, durchaus funktionierender Whodunit mit einer schönen, wenngleich nicht alles aus den Angeln hebenden Lugosi-Performance. Wäre er handwerklich etwas besser ausgearbeitet, hätte er freilich noch besser sein können, aber so: Wer kleinere B-Movies aus diesen Jahren mag und Lugosi ebenfalls gerne sieht, der wird mit Night of Terror 60 Minuten durchaus unterhalten werden.
7/10 Punkten.