Mondo Cane – Filmkritik

Original-/Alternativtitel: /

Jahr: 1962

Regisseur: Paolo Cavara, Guialitero Jacopetti

Schauspieler: /

Vorwort:

Wenn man sich mit der italienischen Filmgeschichte, oder mit der Geschichte des Horror-Genres allgemein, auseinandersetzt, kommt man irgendwann zum berühmt-berüchtigten Mondo-Genre. Heute freilich ausgestorben, kann jeder sich mit wenigen Klicks im Internet jeden noch so ultrabrutalen Snuff anschauen. Tja, früher aber befriedigte der Otto-Normalverbraucher seine morbide Schaulustigkeit aber eben mit den Mondo-Filmen. Pseudodokumentarfilme, vorwiegend aus Italien, die das Bizarre aus der Welt filmisch aufbereitetet und es dem Publikum zum Fraß vorwarfen. Bei vielen Genres kann man die Anfänge manchmal schwer eruieren, doch beim, Mondo-Film gibt’s diese eine „glorreiche“ Geburtsstunde. 1962 drehten zwei Italiener nämlich den Film „Hundewelt“, oder im Original Mondo-Cane. Der Streifen war seiner Zeit ein Mega-Erfolg und so ergoss sich alsbald Film um Film aus dem neuen „Mondo“-Genre über die Kinoleinwände. Vorwiegend wurden die Bräuche „exotischer“ Völker thematisiert. Oder einfach Brutales, Perverses und Absurdes aus den Ecken unseres Planeten.

Wenn man wollte, könnte man den Streifen gar als Ursuppe des Italo-Splatterfilms bezeichnen. Durch Mondo Cane wurde der italienische Film enthemmter, brutaler, und zehn Jahre später drehte Umberto Lenzi Mondo Cannibale – der wiederum als Urgestein des Kannibalenfilms gelten kann.

So kommt eines zum anderen: Mondo Cane ist irgendwie ein „Klassiker“ und filmhistorisch durchaus interessant. Aber kann er auch inhaltlich liefern? In Zuge meiner Vorbereitung für eine Hausarbeit über den italienischen Kannibalenfilmen ging ich also höchstselbst zu den Anfängen derselbigen zurück…

Inhalt:

Während die Credits ablaufen, zieht ein Mann einen Hund zu anderen in einen Käfig. Es wird laut gebellt und geknurrt. Dann wird in einem kleinen Dorf in Italien eine Statue von dem Star-Schauspieler Rudolph Valentino enthüllt (inklusive ein paar, ähm, seltsamer Close-Ups diverser Gäste, die nicht gerade erfreut in die Kamera glotzen). In New York ist derweil der Schauspieler Rossano Brazzi unterwegs und wird von einer wilden Meute fanatischer weiblicher Fans umschlossen.

Szene 1: An einem Strand in der Karibik verfolgt eine große Gruppe weiblicher Eingeborener einen Mann. Am Ende erwischen sie ihn und tragen ihn in den Wald. Der Kommentator aus dem Off informiert, dass auf diesem Atoll die Frauen als eine von wenigen Ausnahmen in der Welt polyamorös seien

Szene 2: Auf einem Schiff der US-Navy freuen sich die Matrosen über ein sich näherndes Boot mit Frauen in Badeanzügen. Sie laufen immer wieder von Reling zu Reling, um die Frauen zu begutachten.

Szene 3: In Guinea werden in einem Ritual zahlreiche angebundene Schweine mit Knüppeln erschlagen und anschließend geschlachtet und verspeist

Szene 4: Szenen von einem Tierfriedhof in den USA, weinende Besitzer trauern um ihre Katzen, Hunde oder Pferde. Gleichzeitig kümmern sich die Artgenossen wie Hunde etwa nicht um die Toten und urinieren auf die Gräber

Szene 5: In China wird Hundefleisch in einem Restaurant zubereitet. Hunde sitzen eingesperrt in Käfigen in der Nähe

Szene 6: In Rom werden hunderte Küken in verschiedene Farben getaucht und anschließend in eine Art Ofen gesperrt, wo die Farbe trocknet. Als man sie herausholt, sind sie in verschiedenen Tönen für das Osterfest gefärbt

Szene 7: In Frankreich werden Gänse für Fettleber gemästet

Szene 8: In Japan werden Rinder auf einem speziellen Bauernhof täglich massiert. Auch werden ihnen täglich sechs Flaschen Bier eingeflößt. Ihr Fleisch gilt als edle Delikatesse

Szene 9: In Neuguinea werden die schönsten Frauen in einen Käfig gesetzt und mit Essen versorgt, damit sie zunehmen. Der lokale König darf sich dann die schönsten Frauen aussuchen

Szene 10: Szenen aus einem Fitnessstudio für ältere Frauen in den USA

Szene 11: Auf einem Markt in Hong Kong werden exotische Tiere verkauft.

Szene 12: In einem italienischen Dorf wird eine Heiligenstatue mit Schlangen geschmückt und durch die Straße getragen

Szene 13: In Singapur werden auf einem Markt Schlangen verkauft und verspeist. Eine wird vor laufender Kamera gehäutet

Szene 14: In einem italienischen Dorf stechen sich Dorfbewohner Scherben in die Beine. Eine Art seltsame Tradition

Szene 15: An einem Strand in Australien demonstrieren Rettungsschwimmer ihre Künste, u.a Mund zu Mund Beatmung

Szene 16: Szenen von einem Strand im Pazifik, wo zahlreiche Vögel nisten und Schildkröten herumkriechen. Einige verenden auf dem Strand, bevor sie das Wasser erreichen, und skelettieren

Szene 17: An der Küste von Malaysia verkaufen Fischer Haiflossen an reiche Chinesen. Bei einigen Fischern sieht man, dass sie bereits Gliedmaßen wie Hände oder Beine verloren haben

Szene 18: Szenen in einer italienischen Krypta, wo zahlreiche Leute, darunter auch Kinder, die Knochen und Schädel säubern und herrichten

Szene 19: Szenen von der Reeperbahn in Hamburg. Betrunkene und Kneipenschlägereien

Szene 20: Szenen aus einem speziellen Massagesalon in Tokio, wo betrunkene Männer wieder in Form gebracht und u.a gesäubert und rasiert werden

Szene 21: Szenen von einem Chinesischen Begräbnis. Die Witwe verbrennt das Geld des Verstorbenen und an einem Schrein wird ihm Essen für seine Reise ins Jenseits dargeboten

Szene 22: Szenen von einem Autofriedhof in den USA. Alte Wracks werden zu Würfeln gepresst, einige werden dann in Frankreich als Kunst ausgestellt und verkauft. Einige Frauen färben sich für moderne Kunst blau

Szene 23: In Honolulu werden Touristen nach traditioneller Art begrüßt

Szene 24: Militärparade in Indien, rituelle Köpfung diverser Rinder

Szene 25: Szenen von Stierkämpfen in Portugal

Szene 26: Szenen von Eingeborenen aus Papua-Neuguinea, die eine Kirche besuchen

Szene 27: Eingeborene in der Südsee halten Flugzeuge für Gesandte des Himmels

Besprechung:

Tatsächlich ist dies nach El Charro de Las Calaveras bisher meine einzige „Lang-Review“, zumindest in dem Sinne, dass ich die komplette „Handlung“ des „Films“ beschreibe. Wobei es da, wie man oben erkennen kann, einfach nicht viel zu beschreiben gibt. Der geneigte Zuschauer dürfte schnell erkennen: Mondo Cane ist schwachsinnig, keine Doku, keine Reportage, sondern einfach ein Konglomerat an mal mehr, mal weniger (meistens aber weniger) zusammenpassenden Szenen von bizarren Dingen aus aller Welt. Das ist heute so, das war schon Anno 1962 so, nur damals dürfte das den meisten Zuschauern aufgrund mangelnder Medien-Kompetenz oder allgemein kaum vorhandenen Informationen weniger aufgefallen sein.

Ich habe zugegebenermaßen viel „erwartet“, immerhin war es mein erster waschechter „Mondo“-Film. Von YouTuber Jim „Jack“ Hatmess, der auf seinem sehr empfehlenswerten Kanal schon lange indizierte Filme oder allgemein indizierte Medien unter die Lupe nimmt, oder gar brutale Mixtapes bespricht, ist mein Interesse an derlei Material in den letzten Monaten gestiegen. Bei aller Liebe schaue ich keine Mixtapes oder solchen Schund wie Faces of Gore, wo echter Gore und Todesszenen aneinandergereiht werden, an, und werde sie mir auch niemals anschauen; aber ich habe nun mal, wie die meisten, wenn auch nur unterbewusst, eine morbide Atmosphäre für das Brutale, für die Abgründe der Menschheit. Wie sonst sollte man das Mega-Interesse an True-Crime interpretieren? Solch ein Interesse wohnt dem Menschen scheinbar von Natur aus inne.

Bei Mondo Cane können aber auch „zartbesaitete“ Zuschauer, bzw. solche, die sich nicht in den ultrabrutalen und ekelhaften Mondo- bzw. Snuff-Sumpf absteigen wollen, beherzt zugreifen. Schließlich ist der Streifen von 1964, und so konnte ich davon ausgehen, nichts an extremen Brutalitäten betrachten zu müssen.

Dass Mondo Cane dann aber so harmlos, so inhaltsleer ist, hätte ich nicht gedacht. Mir ist klar, dass man von späteren Mondo-Filmen, die im Laufe der 60er und 70er erschienen, keineswegs mehr einen „Bildungsauftrag“ (oder zumindest das Vorgaukeln, man hätte einen) erwarten darf. Dass 99,9% dieser Dokus keine inhaltliche Qualität geschweige denn einen gesteigerten Sinn haben, das stelle ich jetzt einfach mal so in den Raum. Aber zumindest beim „Original“ hatte ich erwartet, dass es doch etwas mehr ist als die stupide Aneinanderreihung von irgendwelchen Szenen aus aller Welt. Der „Film“ hat einfach keinerlei inhaltlichen Zusammenhang, keinen erkennbaren roten Faden. Von allem ist etwas dabei: Absurde Bräuche von indigenen Völkern, aber auch von solchen aus der „modernen“ Welt. Tierschlachtungen, Speiseszenen aus verschiedenen Kulturkreisen und so weiter. Verbunden ist das aber durch absolut NICHTS. Die Kommentare aus dem Off geben nicht mehr Preis, als die Informationen wo die Sachen, die sich gerade vor der Kamera abspielen, passieren, und einer kurzen Zusammenfassung, was genau geschieht. Abseits davon gibt es keinerlei Informationen. Sinnig wäre es vielleicht gewesen, es thematisch zu ordnen und zu verbinden. Z.B Heiratsrituale aus aller Welt, Kulinarik aus aller Welt, oder, oder, oder. Dann hätte ich dem Streifen auch abgenommen, dass man die verschiedenen Kulturen der Welt filmisch betrachtet, dass man den Zuschauer auf eine internationale Entdeckungsreise mitnehmen will. Doch so, einfach wild zusammengewürfelte Szenarien, da entsteht kein Mehrwert. Da zuckt man nur mit den Achseln, wenn man irgendwelche tanzenden Ureinwohner sieht. Wobei mir klar ist, dass einige Mondo-Filme später thematisch genauer waren (vom Titel her etwa Mondo Sexuality, den ich mir, Gott bewahre, nicht gerade anschauen will). Ich bezweifle aber mal, dass das in diesen Gefilden noch irgendwas bringt.

Dass der Film überhaupt nicht das Ziel hat, und nicht mal das Ziel vorgibt, Wissen zu vermitteln, fällt vom Anfang bis zum Ende auf. Die Mondo Filme, und Mondo Cane damit eingeschlossen, sind das frühere äquivalent zu heutigen Schockseiten. Sie wollen den Zuschauer verblüffen, ihn irritieren, anwidern, seine morbide Faszination für das Dreckige und Seltsame der Menschheit befriedigen. Was per se ja nicht mal falsch sein muss, solange man keinen Snuff mit Morden, Folter oder sonstigen Grausamkeiten serviert bekommt.

Doch auch wenn man sich von dem Gedanken befreit, dass Mondo Cane keine Dokumentation ist (insofern das überhaupt jemals jemand gedacht hat), ist der Streifen vor allem eines. Unfassbar dröge und einfach nur langweilig. Die paar Gewaltspitzen sind heute nicht mehr der Rede wert. Das Erschlagen der Schweine ist ziemlich unschön, aber nicht explizit. Lediglich die Szene, in der Rinder geköpft werden, „zeigt“ wirklich etwas. Das sollte meines Erachtens aber auch niemanden „verstören“ oder „schocken“. Wenn man wie meine Wenigkeit Fleisch konsumiert, sollte man sich derlei ansehen können – und wenn man es nicht kann, sollte man lieber Vegetarier werden. Zumal es bei den Rindern auch schnell geht und sie nicht leiden müssen. Die Tierschlachtungen sind per se also nicht schlimm, wenn man bei der unnötigen Quälerei der Schweine zu Anfang oder der gemästeten Gänse Mitleid hat. Apropos Mitleid: Das habe ich mit den Menschen hier aber keineswegs. Die Szenen der Stierkämpfe sind ja sogar lustig, wenn man sich betrachtet, wie sich hunderte Leute zusammenrotten, vor dem Stier wegrennen, der ein oder andere Unglückvogel aber dennoch umgenietet wird. Da tut mir lediglich der Stier leid, dass man ihn zu diesem Theater gezwungen hat.

Wieso man sich Mondo Cane aber abseits von filmhistorischen Gründen ansehen sollte? Da gibt’s keine Gründe! Der Rest der Szenen neben den Tierschlachtungen sind uninteressant bis absolut nichtssagend. Ok, das exotische Ambiente und ein paar gelungene Naturaufnahmen mögen ganz nett sein, aber ansonsten… japanische Badehäuser für Betrunkene oder Fitnesscenter für ältere Damen sind mir mal sowas von egal, dafür schaue ich keine Mondo-Filme. Das einzige Faktum, das Potenzial gehabt hätte, wäre die Zurschaustellung der menschlichen Ambivalenz: In den USA weinen Menschen um ihre Hunde, in Teilen von China wurden sie damals geschlachtet. Auf südpazifischen Inseln sollen die Frauen zunehmen, in den USA wollen ältere Frauen abnehmen. Kurz flackert da eine Idee auf, ein Konzept, das aber ziemlich schnell wieder im Sande verläuft.

So geht Mondo Cane gerade aus heutiger Sicht ziemlich schnell die Puste aus, nach 40 Minuten war dann eigentlich schon genug. Zumal einige Segmente auch einfach unnötig Lang sind. Dass einem Betrunkene Deutsche in einem italienischen Mondo-Film aus den 60er Jahren begegnen mag ganz amüsant sein, aber wieso muss man das auf mindestens 10 Minuten aufblähen. Wenn man den x-ten Deutschen im Vollrausch sieht wird’s nicht unbedingt interessanter. Genauso bei den Stierkämpfen. Ich muss nicht 10 Minuten am Stück sehen, wie Spanier/Portugiesen vor einem Stier davonlaufen… die Laufzeit von fast 100 Minuten ist da auch ein Witz, da hätte man locker 20 Minuten wegschneiden können, ohne dass ich irgendwas vermisst hätte. Einige Segmente einfach kürzen, andere rauslassen. Ich meine: Wen juckts, wie alte amerikanische Touris auf Hawaii begrüßt werden? Und was die Szene am Anfang mit der Gedenkfeier an Valentino sollte, habe ich auch nicht gerafft.

„Positive“ Wörter kann man hingegen für die Inszenierung verliehen. Das Regie-Duo Paolo Cavara und Gualtiero Jacopetti sind einige schöne Naturaufnahmen gelungen. Die Südseestrände sehen schon fabelhaft aus, zugegebenermaßen. Bei vielen Szenen fühlt man sich auch „mitten im Geschehen“, die beiden beweisen hier und da mal kurz ein Auge für Komposition oder für Atmosphäre. Leider sind’s aufgrund des debilen Inhalts aber auch vergossene Liebesmühen. Und über den Sprecher Stefano Sibaldi will ich mal gar nicht anfangen. Die ganze Zeit labert der sich einen Stuss zusammen. Am Ende hat’s mich wirklich nur noch genervt. Dass da zu 95% auch nichts von Mehrwert herumkommt habe ich ja schon erwähnt. 

Erwähnenswert wäre höchstens noch, dass der Film überraschenderweise kaum rassistisch ist. Während spätere Mondo-Filme (oder eben auch zum Teil in den Kannibalen-Reißern) fremde Völker oft als brutal und schlichtweg „wild“ dargestellt wurden, begegnet man den Eingeborenen hier fast mit Respekt und filmt die Rituale mehr oder weniger einfach ab. Außerdem gibt’s ja auch genug Szenen, die zeigen, dass es in der westlichen Welt mitunter genauso „absurd“ hergeht. Zumindest Jacopetti hielt sich aber später nicht mehr daran und drehte mit Africa Addio vier Jahre später einen noch viel extremeren Mondo-Film über Afrika im speziellen, der oftmals als reinrassig rassistisch bezeichnet wird. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…

Fazit:

Mondo Cane ist, halten wir fest, aus heutiger Sicht ein eher ermüdendes Stück Zelluloid, das mehr als filmhistorische Zeitkapsel taugt, denn für Unterhaltung oder, wer es denn unbedingt suchen will, für simple Schocks. Die wenigen „denkwürdigen“ Momente machen den Braten nicht fett und der Rest ist absolut belangloses Füllmaterial. Da hilft auch die zum Teil schöne Optik nicht weiter. „Hoffnung“ auf andere Mondo-Filme macht dies sicherlich nicht…

3,5/10 Punkten.