Original-/Alternativtitel: Mark of the Dead Man

Jahr: 1961

Regisseur: Fernando Cortés

Schauspieler: Fernando Casanova (Gonzalo Malthus/Dr. Malthus), Sonia Fuió (Rosa), Guillermo Cramer (Polizeiinspektor), Rosa Maria Gallardo (Gefangene)

Vorwort:

Gott segne die automatische Übersetzung für Untertitel, die es seit geraumer Zeit bei YouTube gibt. Denn so kann ich nun noch mehr alte, vergessene mexikanische Horrorperlen an die Oberfläche bringen! Das ich einen Narren an den phantastischen Film dieses Landes gefressen habe, kann man sehr ausführlich in der Kritik zum Western/Horror/Trash-Meisterwerk El Charro de las Calaveras nachlesen. Neben El Santo haben die Bewohner dieses lateinamerikanischen Landes zahllose Horrorfilme produziert, angefangen in den 30er Jahren. Wie gesagt, das kann man in der Review zum Charro nachlesen, deswegen halte ich mich hier etwas kürzer: Die meisten dieser Filme sind kaum zu bekommen und ich musste etwa für El Monstruo Resucitado länger Suchen und auf etwas „dubiose“ Mittel zurückgreifen, um den Streifen überhaupt sichten zu können. Glücklicherweise gibt’s aber bei YouTube nun, zumindest bei manchen Videos, die automatische Übersetzung für die Untertitel. Und da ich immerhin etwas von der Story verstehen möchte, kann ich nun endlich nicht nur die Handvoll mexikanischen Horrorfilme sehen, die irgendwie in den Westen schwappten, sondern noch viel, viel mehr! Das kann ja was werden!

Ausgesucht wurde heute dann La marca del muerto von 1961, was so viel wie „Die Marke des Todes“ heißen soll (laut Deepl, kann man sich aber, denke ich, auch so erschließen). Das Plakat sieht ja schonmal hervorragend aus (aber welches Plakat eines Mexiko-Horrorfilms tut das nicht) und so durfte ich mal wieder bis an den tiefsten Grund der Filmgeschichte tauchen...

Inhalt:

Wir schreiben das Jahr 1890: In einer finstren Nacht entführt Dr. Malthus eine junge Frau, die gerade vom Gottesdienst nach Hause geht. Er betäubt sie und schnallt sie auf einer Bahre fest, um ihr das Blut abzuzapfen und dieses anschließend in seinen eigenen Körper zu transferieren. Kurz bevor er damit beginnt, klopft es jedoch und die Polizei steht vor der Tür. Dr. Malthus wird zum Tode verurteilt, altert in der Zelle jedoch um Jahrzehnte und beschwört, dass er unsterblich sei. Als er gehängt wird, sieht er so bereits wie 100 Jahre aus.

Jahrzehnte später, 1962, kehrt derweil sein Urenkel Gonzalo Malthus von einer Studienreise aus Europa zurück. Seine Verlobte Rosa hat inzwischen das alte Familienhaus hergerichtet und auch ein Gemälde von Dr. Malthus dem Älteren aufhängen lassen. Eines Nachts vernimmt Gonzalo dann die Stimme seines Urahns, die ihm zum alten Labor im Keller führt. Gonzalo ließt die Schriften seines Urgroßvaters, entführt eine Frau und transferiert ihr Blut in den Leichnam seines Urgroßvaters. Und dieser erwacht tatsächlich wieder zum Leben – zum Leiden aller anderen!

Vorwort:

Jaja, die Mexikaner können es, das beweisen sie jedes Mal. Klar, im Grunde ist La marca del muerto eine für seine Zeit relativ genretypische Mad-Scientist-Plotte, aber die mexikanischen Horrorfilme der 50er/60er haben einfach etwas Besonderes an sich: Kühle Set-Pieces, die wunderschön eingerichtet sind und ganz klassische, pulpige Drehbücher, die gerne mal alles Mögliche aus den Bereichen Gothic-Horror und Science-Fiction vermengen (das war ja schon bei El Monstruo Resucitado der Fall). Es ist insgesamt wirklich schade, dass eine solche Fülle (meine Liste bei Letterboxd „Old Mexican Horror“ zählt inzwischen schon 137 Titel) an klassischen Horrorfilmen komplett vergessen sind. Die „Bekanntesten“ haben vielleicht ein paar 100 Bewertungen, viele kommen aber nicht mal in den Dreistelligen Bereich. Und dabei müssten sich diese Filme nicht mal verstecken: Sind es nicht gerade völlig abstruse El Santo-Filme wie Santo el enmascarado de plata y Blue Demon contra los monstruos, dann sind es oftmals handwerklich annehmbar bis gut gewerkelte Horrorfilme, die es als B-Filme formal auch mit Hammer-Filmen oder AIP-Streifen aufnehmen könnten (ohne die Starpower allerdings).

So ist es auch bei unserem heutigen Korpus Delicti, La marca del muerto. Auf Letterboxd kommt er nur auf 118 Bewertungen, auf der IMDB 161. Außerhalb von Mexiko nie in seiner Urform aufgeführt, erreichte er die USA nur in einer schrecklich zerschnittenen Version vom üblichen Übeltäter Jerry Warren als Creature of the Walking Dead, und das ich darauf verzichten will, alleine schon aus Respekt gegenüber den mexikanischen Filmemachern, dürfte klar sein. Es kann gut möglich sein, und da lehne ich mich vermutlich nicht zu weit aus dem Fenster, dass ich überhaupt der erste Deutsche bin, der sich diesen vergessenen Film zu Gemüte geführt hat…

Und das war bestimmt auch kein Fehler. Nein, La marca del muerto ist nicht so ein Kracher wie manch El-Santo Film oder wie der großartige La maldición de la Llorona (1963), aber dennoch durchaus ganz nett. Wenn man es nicht besser wüsste (also, dass es ein völlig vergessener mexikanischer Film ist), dann würde man den Film ohne böses Blut in die Reihe an Mad-Scientist Filmen der 50er Jahren oder frühen 60er stellen können. Ich habe das Gefühl, dass dem mexikanischen Genre-Film kein wirklich guter Ruf anhaftet: Die El-Santo-Filme sind „natürlich“ Trash, zumindest einige, aber diesen Begriff würde ich auf La marca del muerto nicht mal anwenden wollen: Für das Jahr 1961 ist es ein durchgehend kompetent gemachter Film, der hier und da sogar mit richtig schönen Szenen auffahren kann.

Erstmal aber, und das ist die Stärke von bisher (fast) jedem mexikanischen Horrorfilm: Die Sets! Das ist Pulp-Horror, wie er sein sollte! Wunderbar verspielte Sets wie aus einem alten Comic, mit allem drum und dran! Das Mad-Scientist Labor ist ja eine wahre Freude für den Fan! Allerlei Reagenzgläser und seltsame Apparaturen und die Vorrichtung zum Blutabsaugen hat irgendwelche sinnlosen Radarantennen, die sich drehen und seltsame Geräusche machen! Was will das Mad-Scientist Herz da mehr? Oder der Friedhof und die Gruft: Schön schaurig, voll mit Spinnenweben, schiefen Kreuzen und bei Nacht macht das ordentlich was her. Da muss sich La marca del muerto echt nicht verstecken, da haben die Produzenten mit ihrem beschränkten Budget mit gutem Gewissen gearbeitet und das Bestmögliche herausgeholt. Klar, man merkt trotzdem immer noch, dass es ein B-Film ist: Es gibt nur zwei Hauptsets (die Eingangshalle des Hauses von Malthus (das man nicht mal von außen sieht) und das unterirdische Labor). Ein paar Mal geht’s noch zum Friedhof, ein paar Szenen spielen draußen, aber ansonsten gibt es nicht besonders viel Abwechslung. Aber das kann ich verzeihen, wenn die vorhandenen Sets so fein eingerichtet sind.

Allerdings gibt’s natürlich auch ein paar Sachen zu kritisieren, ganz objektiv: Das Skript zum Beispiel. Die Grundidee ist durchaus nett, reißt aber auch keine Bäume aus. Es soll wohl an Lovecrafts „Der Fall des Charles Dexter Ward“ angelehnt sein, wie in ein paar der ohnehin raren Reviews steht, aber so viel kann ich dazu nicht sagen, denn diese Story von Lovecraft habe ich (noch) nicht gelesen. Abgesehen davon ist es nun aber die typische Mad-Scientist-Plotte nach Vorschrift ohne große Umschweife. Typ in der Vergangenheit tut Böses, sein Nachfahre in der (relativen) Gegenwart muss die Sache irgendwie ausbaden. Sowas mochten die Mexikaner ja, denn ne ähnliche Geschichte hatte auch la maldición de la llorona und The Brainiac.

Aber da fangen die Probleme ja auch schon an. Eigentlich kann man da doch nicht so viel falsch machen: Böser Mad-Scientists wird durch dessen Nachfahren wieder ins Leben gerufen, dieser sperrt seinen Urenkel ein und macht sich an die Frau ran, während er seine Verbrechen aus der Vergangenheit fortsetzt. Da weiß der Fan ungefähr schon, was auf ihn zu kommt, aber wirkliche „Spannung“ baut das Ganze auch nicht auf. Der Prolog legt gleich ein gutes Tempo vor und bietet sogleich zu Anfang fast schon die besten Momente des Streifens (darauf komme ich gleich noch zurück). Nach der Hinrichtung von Dr. Malthus geht’s aber nicht mehr so temporeich voran, obwohl der Film nur auf eine Gesamtdauer von 80 Minuten kommt. Natürlich geht einiges an Zeit für die schmalzig-kitschigen Dialoge zwischen dem jüngeren Malthus und seiner Verlobten Rosa drauf, die nicht wirklich viel zur Story hinzufügen. Da hätte man vielleicht eher die Untersuchungen der Polizei etwas detaillierter zeigen sollen.

Ein weiteres Problem des Skripts ist des Weiteren, dass der jüngere Gonzalo Malthus einfach völlig inkonsequent geschrieben ist. Zuerst präsentiert er sich als lieber Ehemann, dann, in Nullkommanichts, ist er bereit eine junge Frau zu entführen und zu töten, nur weil er über die Experimente seines Urgroßvaters liest. Und kaum ist der erwacht, regt er sich auf, dass dessen Experimente ja inhuman seien und dass er ja niemanden töten wolle. Das macht den Helden nicht wirklich sympathisch oder glaubwürdig. Ohnehin ergibt es keinen Sinn: Der ältere Malthus erklärt, dass er immer dann seinen Standort wechselte, wenn die Leute merkten, dass er nicht alterte. Dennoch wird er in einer Familiengruft begraben, hatte also offenbar Familie und Kind? Die habend davon nichts mitbekommen? Und wieso hängt Rosa überhaupt ein Bild von ihm auf, wenn sie doch gut weiß, dass er ein verurteilter Serienmörder war, der abstruse Experimente mit seinen Opfern machte?

Längere Zeit gibt es so auch keinen Konflikt, keine Reibepunkte innerhalb der Handlung: Der jüngere Malthus will seinen Großvater wieder zum Leben erwecken und dass dieser ihn dann einsperrt kann dem Zuschauer aus den oben genannten Gründen erstmal egal sein. Erst in den letzten 20 Minuten geht es ein bisschen mehr zur Sache, wenn sich der ältere Malthus an Rosa ranmacht.

Interessanterweise war das Drehbuch auch das einzige Horror-Skript, das die Schreiberlinge Fernando Cortés (der drehte das Ding sogar) und Alfredo Varela zu Papier brachten – zumindest soweit ich das sehen kann. Keiner ihrer Filme wurde jemals im Westen aufgeführt, dementsprechend kann ich auch kaum sagen, was ihr Schwerpunkt war... offensichtlich alles irgendwie, von Komödie bis zur Romanze und eben das, was im mexikanischen Lichtspielhaus gefragt und gefordert war. Das Skript mag also keine Granate sein, aber die Regie bietet die ein oder andere richtig hübsche Szene, offenbar hatte Cortés hier mehr Talent. Über weite Strecken ist der Film nach Vorschrift abgefilmt, ohne große Nuancen oder Ideen, die Dialogszenen sind manchmal etwas starr. Aber hier und da blinkten richtig ästhetische Momente auf! Ein wirklich malerischer Moment (und das meine ich vollkommen ernst) ist die Hinrichtung des älteren Malthus: Er geht eines Nachts zum Galgen, von hinten scheint das Licht und dann fährt die Kamera an sein Gesicht. Auch die Öffnung des Sarges durch den jüngeren Malthus ist anregender gefilmt als der Rest, aber irgendwie wirkt es so, als wenn Cortés zu 80% der Dreharbeiten nur daran denken musste, wie viele Szenen er an jenem Tag noch zu schaffen hatte, denn das der Herr durchaus ein Auge für Spannungsaufbau hat, das erkennt man im Prolog.

Ebenfalls wirkungsvoll ist der Soundtrack von Gustavo César Carrión, der allerdings manchmal etwas zu penetrant benutzt wird. Carrión komponierte für zahlreiche Horrorfilme Mexikos, u.as auch für die Vampiro-Filme und beispielsweise auch für den Charro. Lustigerweise erinnert seine Musik hier sehr stark an die aus Emmerichs Godzilla... das ist mal nen obskurer Zufall.

Die Akteure reißen allerdings leider auch keine Bäume aus. Fernando Casanova (das ist mal ein Name) ist als der jüngere Malthus der typische Held mit weißer Weste (so soll er zumindest wirken, offensichtlich), der keine Ecken oder Kanten hat. Er will nur die Frau retten, mehr Charakter hat er nicht, und dass er dann trotzdem so inkonsequent handelt, habe ich ja schon kritisiert. Casanova bringt keine wirklichen Emotionen in die Figur, steht aber zumindest auch nicht so unberührt in der Gegend rum wie ein Abel Salazar in la maldición de la llorona. Gekonnt kaschiert wird aber auch, dass er eine Doppelrolle spielt, denn natürlich gibt er beide Malthus zum Besten. Solange der ältere Malthus normal aussieht, wird es durch Schnitte kaschiert, sobald er anfängt zu Altern, trägt ein anderer Schauspieler die Maske (die übrigens ziemlich gut aussieht, die Frisur erinnert nur etwas an Fips Asmussen) sodass man die beiden Malthus auch mal in einem Bild auf einmal sehen kann. Casanovas „größter“ Auftritt dürfte deswegen eine Nebenrolle in Bunuels El von 1953 sein.

Andere Schauspieler von Belang gibt es dann nicht mal mehr. Sonia Furió (sie wirkte noch in Dr. Satan y la magia negra mit, der steht selbstredend auf meiner Liste) ist als Rosa einfach nur die Damsel in Distress und tut wirklich absolut nicht mehr, als gerettet werden zu müssen.

Zu erwähnen ist schlussendlich noch die Zeigefreudigkeit des Films. Dass Mexikaner auch in Kinderfilmen nicht zimperlich waren, sah man schon sehr gut in Santo el enmascarado de plata y Blue Demon contra los monstruos (zumindest gehe ich davon aus, dass das ein Kinderfilm war!). Für das Jahr 1961 darf man selbstverständlich keine Bluttaten erwarten, aber dass die Kamera draufhält, wenn Malthus den Frauen die Nadel in den Hals rammt, hätte ich nicht erwartet – da Tropft das Blut ja sogar richtig.

Fazit:

La marca del muerto ist zwar keine große Entdeckung, aber etwas, was sich der Mad-Scientist-Fan durchaus mal anschauen könnte. Wäre es keine mexikanische Produktion, ich bin mir sicher, wir hätten schon irgendeine schöne Edition fürs Heimkino bekommen. Und schon aus diesem Grund sollte man La marca del muerto vielleicht mal betrachten, einfach deswegen, weil man so in Richtungen schaut, die vollkommen vergessen wurden. Es ist keine Tempogranate, trotz der kurzen Laufzeit von 80 Minuten. Die Story ist nicht überwältigend, aber er hat ein paar wirklich gelungene Momente und schöne Sets – und wenn man ein unterirdisches Labor mit Reagenzgläsern, verschrumpelte Leichen, und einen verrückten Wissenschaftler auf Amoklauf hat, tja... dann bin ich doch zumindest zufrieden!

6/10 Punkten.