Original-/Alternativtitel: House of Horrors
Jahr: 1946
Regisseur: Jean Yarbrough
Schauspieler: Rondo Hatton (The Creeper), Martin Kosleck (Marcel De Lange), Virginia Grey (Jean Medford), Alan Napier (F. Holmes Harmon), Robert Lowery (Steven Morrow)
Vorwort:
Nach längerer Pause (naja, zweieinhalb Wochen) soll es hier nun wieder im Hochtakt weitergehen. Und mit der heutigen Review können wir dann auch gleich noch eine kleinere Bildungslücke der Horrorgeschichte schließen. Jeder weiß, die Geschichte des Horrorfilms ist immer für Überraschungen gut und es gibt zahlreiche interessante Geschichten hinter den Kulissen. Und eine hört auf den etwas obskuren Namen Rondo Hatton. Heute so gut wie in Vergessenheit geraten, wissen viele nicht mehr, dass er der nächste Universal-Horrorstar hätte werden können. Wenn die Geschichte etwas anders gelaufen wäre, stünde er heute vielleicht in der Reihe Lugosi-Karloff-Chaney Jr. Universal spendierte ihm am Ende der Horrorwelle der 40er Jahre, 1946 um genau zu sein, zwei Spielfilme: House of Horrors und The Brute Man. Hatton kämpfte im ersten Weltkrieg, arbeitete als Reporter und erkrankte an der Krankheit, die auch in Tarantula für Unheil sorgte: Akromegalie. Und so kam er auch ins Filmgeschäft, erst als Statist, z.B in Der Glöckner von Notre-Dame von 1939, dann in bedeutenden Rollen wie in Die Perle der Borgia 1944 an der Seite von Basil Rathbone. Universal war auf der Suche nach einem neuen Horror-Star und Hatton kam mit seinem unförmigen Gesicht wie gerufen: Das Monster ohne Maske!
Inhalt:
Der bitterarme Skulpturenmacher Marcel De Lange erwartet einen dringend benötigten Kunden. Dieser hat allerdings den berüchtigten Kunstkritiker F. Holmes Harmon im Schlepptau, der die Werke von De Lange sofort als Müll bezeichnet. Wütend schmeißt dieser die beiden raus, zerstört sein Werk und trottet zum nahen Fluss. Dort sieht er, wie ein Mann ans Ufer schwimmt. Er rettet ihn und nimmt den seltsamen aussehenden Mann bei sich auf. Als er sich kurz darauf über Harmon aufregt, will sich der Mann auf seine Weise bedanken. Er sucht den Kritiker auf und bricht ihm sein Genick. De Lange beginnt daraufhin damit, eine Skulptur von seinem neuen Freund herzustellen. Zeitgleich erhält er hin und wieder Besuch von der Kunstkritikerin Joan, die wiederum mit der Polizei zu tun hat: Diese verdächtigt nämlich ihren Freund, einen Maler, Harmon umgebracht zu haben...
Besprechung:
House of Horrors ist natürlich ein irgendwie interessanter Film im Output des 40er Jahre Horrors, ja des Horrors allgemein. Am Ende des Hypes, 1945, als er gedreht wurde, wollte es Universal nochmal wissen und sich für die Zukunft einen neuen Star „heranzüchten“, so wie sie es schon mit Lon Chaney Junior getan hatten. Hatton war der perfekte Mann dafür. Er brauchte keine Maske, um als „Monster“ auftreten zu können, um ein makabres Auftreten zu kreieren. Nachdem er also mit seiner Nebenrolle in Die Perle der Borgia schon als „The Creeper“ aufgetreten war und das Publikum begeisterte, war ein eigener Spielfilm schon fast folgerichtig.
Bei Universal war es ja schon immer so gewesen: Man wollte, gerade beim Horrorfilm, unbedingt mit großen Namen werben. Chaney, Lugosi, Karloff, Chaney Junior, alle hatten ihren eigenen legendären Horrorfilm spendiert bekommen. Aber man merkt House of Horrors nun mal auch an, dass 1946 nicht mehr die Zeit war, um wirklich neue Stars in dem Genre hervorzubringen. Vorneweg: House of Horrors ist kein schlechter Film, aber er kommt ein paar Jahre zu spät. Wenn er zur Zeit von Frankenstein erschienen wäre, oder zur Zeit von Der Wolfsmensch, dann hätte er sich zu einem zünftigen Semi-Klassiker seines Genres mausern können. Doch 1946 lief die Zeit des Genres vorerst nun mal aus verschiedensten Gründen (die wir hier nun nicht alle evaluieren wollen) ab. Das Genre hatte 1945/46 einfach nicht mehr die große Schlagkraft, die es vorher hatte. Es waren alles nur noch Fließbandarbeiten, die nicht mehr groß zu überraschen vermochten, weil man die „Schockeffekte“ zuvor halt nun mal schon gesehen hatte. Hinzu kommt, dass das Genre Mitte der 40er alles andere als einen guten Ruf hatte. Große Künstler verirrten sich nicht mehr dorthin: Visionäre wie Whale hatten Abstand genommen, Karloff wollte auch nicht mehr immer dasselbe machen, die Studios hatten kein Interesse mehr an Lugosi und die „alten“ Geschichten (Frankenstein, Dracula, Poe etc.) waren schon alle aufgebraucht.
Wäre House of Horrors früher erschienen, wäre die Schlagkraft sicherlich größer gewesen. Aber es ist nun mal gekommen, wie es kam. Aber auch so kann der Film ja durchaus etwas bieten. Die Story hat etwas von Bride of Frankenstein, in dem Sinne, dass ein von der Gesellschaft ausgestoßener für Morde als Werkzeug genutzt wird. Angereichert wird das von einer ziemlich interessanten „Geschasster Künstler vs. Kritiker“ Geschichte, die ich so zumindest aus dem Zeitraum noch nicht kenne. Vergleichen würde ich es vielleicht ein bisschen mit der Kurzgeschichte aus Die Todeskarten des Dr. Schreck, wo Christopher Lee als fieser Kunstkritiker Michael Goughs Werke diskreditiert. Genau so ist es hier: Marcel De Lange ist der arme Künstler (in diesem Falle Bildhauer), der alles für seine Kunst gibt, und Harmon bezeichnet wiederum alles, was er tut, als Müll und Schwachsinn, der es nicht verdiene, Kunst genannt zu werden.
Hinzu kommt eine Reporterin (wie in fast jedem Horrorfilm der 40er Jahre!) und ein kleines bisschen Polizeiarbeit. Eigentlich eine Runde Mischung, aber das Skript von George Bricker (schrieb noch The Brute Man sowie Pillow of Death mit Chaney Jr.) ist schlussendlich doch zu generisch in dem, was es aus den einzelnen Ingredienzien tut: Der Creeper ist offenbar ein Serienmörder, der zeitgleich aber auch aufgrund seines Aussehens von der Gesellschaft verstoßen wurde. Seine Vorgeschichte wird allerdings keine Sekunde beleuchtet und man erfährt seinen Leidensweg erst gar nicht – und damit freilich nicht, ob man nun Mitleid mit ihm haben könnte. Bei Frankenstein war die Sache klar, und auch hier könnte man sagen: Der Creeper wurde vielleicht von der Gesellschaft verstoßen und zu dem gemacht, was er nun ist. Aber der Zuschauer erfährt es nun mal nicht und die Figur bleibt so zu oberflächig. Hier ist er ganz simpel einfach ein optisch etwas befremdlicher Mann, der offenbar nicht ganz auf der Höhe ist und irgendwie eine dunkle Vergangenheit hat. Interessanter ist da schon sein Retter Marcel De Lange als missverstandener Künstler, der (natürlich) in die Manie abrutscht und den Creeper schließlich als Werkzeug missbraucht bzw., indirekt wünscht, wen er denn als nächstes „besuchen“ soll.
Als „starke“ Frauenfigur (im Zeitkontext, versteht sich), kommt dann noch die Kunstkritikerin Joan hinzu. Wie es zu jenen Jahren üblich war, wird sie als selbstständig-agierende Figur gezeigt, was sie am Ende aber natürlich nicht davon abhält, ihren Job ganz spontan für einen Mann an den Nagel zu hängen. Und als dritte „Fraktion“ gibt’s dann noch die Polizei, die mit ihren „lockeren Sprüchen“ für etwas Auflockerung sorgt, aber im Grunde auch nicht mehr tut, als falsche Leute zu verdächtigen und auf Dates zu gehen. Die „Überführung“ bleibt selbstverständlich Joan überlassen, die darüber hinaus in einem Dialog auch noch mit Harmon über Kunst und Kritik ebensolcher diskutieren darf. Dieser Dialog ist im Grunde aber auch der Einzige im Film, der wirklich Substanz hat, wenngleich die Kritik an der Kunstkritik etwas lockerer formuliert wird. Ansonsten darf De Lange seine Monologe halten, Hatton antwortet kurz und knapp, und die Polizei hat ihr lockeres Mundwerk. Glücklicherweise wird aber auf einen Comic-Relief Charakter verzichtet, dass ich das nochmal erleben darf!
So viel zum Skript: Ein paar gute Ideen, aber schlussendlich auch keine Meisterleistung. Wie man es bei Universal gewohnt ist, ist der Streifen dafür schön ausgestattet. Es fehlt etwas diese klassische Nebel-Atmosphäre, die die sonstigen Filme ausgemacht hat, und die Sets sind an sich auch begrenzt, dennoch kommt keineswegs die Klaustrophobie auf, die man etwa bei den Poverty-Row Titeln gewohnt ist. Das Set von De Langes Atelier sieht fein aus, leider war es das aber auch schon. Hinzu kommen ein paar dunkle Gassen, ansonsten muss man sich mit gewöhnlichen Räumen begnügen.
Der „Horror“ kommt hier nun ganz in Form von Rondo Hatton, wobei ich dies als „Horror“ nicht mal wirklich bezeichnen würde. Obwohl die Krankheit für ihn schreckliche Qualen mitbrachte, sieht er nicht wirklich „entstellt“ aus. Etwas unförmig, ja, aber nicht „monsterhaft“, auch wenn es seinerzeit wohl so gesehen wurde. „Gruselig“ ist er nicht, es ist eher tragisch. Tatsächlich würde ich den Streifen deswegen auch eher als düsteres Drama sehen, denn als puren Horror. Die Aufnahmen von ihm, wie er nachts durch die Gassen streift, sind durchaus annehmbar, aber versprühen nun auch keine horrible Atmosphären. Und die Mordszenen sind selbstredend sehr handzahm, das Ergebnis, die gebrochenen Genicke, bekommt der Zuschauer nicht zu Gesicht.
Die Regie übernahm Jean Yarbrough, den der Horrorfan dieses Jahrzehnts durchaus kennen dürfte. Besonders natürlich für das Lugosi-Vehikel The Devil Bat von PRC, oder für King of the Zombies. Bei Universal drehte er neben den Rondo Hatton Filmen auch noch The She-Wolf of London. Für einen großen Künstler halte ich ihn nicht, aber sein Niveau dürfte etwas besser sein als z.B der eines William Beaudine. Er filmt alles routiniert, ohne besondere Akzente ab. Ein paar Szenen mit netten Schatten, ansonsten ist alles generisch heruntergekurbelt. Ohne komplette Langeweile, aber da hätte man angesichts des Themas deutlich mehr herausholen könnten. Gerade die Dialogszenen sind eher wie bei den Poverty-Row Streifen stumpft abgefilmt.
Kommen wir zu den Akteuren. Rondo Hatton ist schwer zu beurteilen, er war ja auch kein gelernter Schauspieler. „Schauspielen“ im näheren Sinne kann man es auch nicht nennen. Seine wenigen Dialogzeilen spricht er monoton ab, ansonsten verzieht er kaum das Gesicht. Bei ihm geht es mehr um die Ausstrahlung, und die ist ganz in Ordnung, aber auch nichts Weltbewegendes, eben auch, weil seine Figur keinerlei Hintergrundinformationen erhält.
Marcel De Lange wird vom Deutschen Martin Kosleck (The Mumys Curse, She-Wolf of London u.a) dargestellt, und das mehr als zufriedenstellend. Den armen, geschassten Künstler, der mit Herzblut zu Werke geht, mimt er sehr glaubwürdig, auch wenn er am Ende manisch wird. Und Virginia Grey (ich kenne sie ansonsten nur noch aus Unknown Island) gibt Joan ebenfalls lebendig, aber im Vergleich auch nicht allzu memorabel.
Gesichtet wurde die hübsche Blu-Ray aus der Box Creeping Horrors von Eureka, auf der auch Horror Island, Night-Monster (mit Lugosi) sowie Murders in the Zoo mit Atwill zu betrachten sind. Nur noch letzterer fehlt mir. Eine sehr empfehlenswerte Box für Fans.
Fazit:
Nun, das abschließende Schlusswort. House of Horrors ist ein durchaus annehmbarer Horrorfilm und sogar vielleicht einer der letzten klassischen Genrefilme aus dem Hause Universal, die zumindest als solche vermarktet wurde. Wäre er früher entstanden, mit erfahreneren Leuten hinter der Kamera, hätte da deutlich mehr draus werden können, gerade für Hatton. So ist er „ganz nett“, aber auch kein vergessener Klassiker. Die „Fortsetzung“, The Brute Man, wird bei Gelegenheit ebenfalls nachgeholt.
6,5/10 Punkten.