Original-/Alternativtitel: La casa dell'orco |  The Ogre

Jahr: 1989

Regisseur: Lamberto Bava

Schauspieler: Virginia Bryant (Cheryl), Paolo Malco (Tom), Sabrina Ferilli (Anna)

Vorwort:

Abt. Italo-Sommerquatsch mit Lamberto Bava zum Zweiten!

Ich hab’s mir vorgenommen und „trotz“ der Sichtung von Monster-Shark/Devil-Fish, den ich ja nicht wirklich „gut“, aber trotzdem irgendwie „in Ordnung“ fand, widmete ich mich gleich dem nächsten Werk von Lamberto Bava. Und passenderweise hatte ich da einen Titel, den ich schon länger im Auge gehabt hatte. Ich hatte ihn mal zufällig bei Letterboxd gefunden und das Cover und der Titel haben mich gleich neugierig gemacht: Es handelt sich um La casa dell'orco, bzw. im englischen simpel The Ogre. Keine Ahnung, zusammen mit dem coolen gezeichneten Cover, einem Keller und eine gruselige Monsterhand, sah das für mich nach einem hübschen Italo-Horrorfilm aus, der gut auf diese Seite passen würde. Gut, der deutsche Videotheken-Titel Ghosthouse 2 – das Ungeheuer lebt klingt zwar weniger schmackhaft, und ist wiedermal sinnentstellend. Erstens ist es keine Fortsetzung von Ghosthouse von Umberto Lenzi aus demselben Jahr (der im Original ohnehin La Casa 3 hieß... ach diese Titel verwirren mich) und zweitens... naja, „Oger“ hört sich doch wohl cooler an als einfach „Ungeheuer“. Spontan würde mir nämlich kein Film einfallen, in dem ein Oger vorkommt (je nach dem, wie man das definiert).

Inhalt:

Die Schriftstellerin Cheryl (Virginia Bryant) leidet unter schlimmen Alpträumen, in denen sie als Kind durch ein altes Gemäuer irrt und im Keller ein seltsames, leuchtendes Dick an der Decke sieht. Im realen Leben reist sie mit ihrem Mann Tom (Paolo Malco) und ihrem Sohn Bobby für einen Urlaub zu einer alten Villa, die sie gemietet haben. Ihre Alpträume werden schlimmer und Anna (Sabrina Ferilli), eine Frau aus dem nahen Dorf, erzählt von alten Mythen... und dann findet Cheryl den Teddybär aus ihrer Kindheit im Keller der Villa.

Besprechung:

Tja... da kann ich wieder einiges zu sagen, das ist mir schon beim Schauen aufgefallen. Und das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Bestimmt kann ich, wie schon beim Monsterhai, sagen: The Ogre (ich bleibe jetzt beim englischen Titel, das ist weniger umständlich) ist bestimmt nicht „gut“ im Wortsinne, aber immerhin ist es irgendwie ein interessanter Streifen... zumindest für mich.

Vor der Sichtung hatte ich meine Erwartungen dann auch bewusst heruntergeschraubt. Die Bewertungen sind mal wieder nicht gerade die Höhe, wenn auch besser als der Bavas Haifisch. N’ paar Leute, nach deren Kritiken ich oft auch gehe bzw. deren Meinungen ich durchaus höher einschätze als die gewöhnlichen Meinungen irgendwelcher Kommentare, speisten den Film auch mit ziemlich schlechten Bewertungen ab. Und außerdem: The Ogre ist ein Fernsehfilm, was natürlich sofort bedeutet, dass es in Sachen Budget und Gewalt nicht so hoch hergehen wird. Das sagte Bava auch selbst, nämlich, dass beim Drehbuch schon etwas Selbstzensur betrieben werden musste.

Fangen wir mal beim Offensichtlichen an: In The Ogre passiert so gut wie gar nichts. Ich würde ja gerne noch irgendwas zur Story sagen, mehr, als in der obigen Inhaltsangabe, aber... tja, das geht nicht, ohne das Ende zu Spoilern. Nachdem unsere Familie in der Villa angekommen ist, ungefähr bei Minute 10, passiert bis Minute 70 (von 90, wohlgemerkt) nichts Substanzielles, nicht mehr, als in der Synopsis schon geschrieben steht. Der Hauptteil ist einfach ein Nichts: Cheryl sitzt halt in dem Gemäuer und hat Alpträume, aber das weiß halt schon jeder, der die Rückseite der DVD (oder VHS) durchgelesen hat. Klar: Ne Inhaltsangabe sollte nicht 75% des Films „spoilern“, aber wenn eben nicht mehr passiert, als das man in drei Sätzen zusammenfassen könnte, was soll man tun. Im Grunde lässt sich die Handlung in einem Satz zusammenfassen, deswegen hier auch kurz SPOILER: Familie fährt in alte Villa, Frau hat Alpträume, Monster läuft rum, Monster wird getötet. Mehr gibt es einfach nicht. Es gibt keine Twists, keine Geheimnisse, keine Charakterentwicklung, keine große Action, keine Hintergrundgeschichte. Nichts, nada, niente. Und das Lustige ist auch, dass der gesamte Aufhänger, die Alpträume von Cheryl, ihre Verbindung zum Monster, niemals aufgeklärt wird. Die ganze Zeit wird angedeutet, dass sie irgendwie schon mal mit dem Monster in Verbindung stand, dass sie in ihrer Vergangenheit irgendwas erlebt haben muss... aber ne, da wird nichts draus gemacht. Alles was in diesem Film passiert (und das ist nicht viel, falls ich es nicht schon erwähnt haben sollte), passiert halt einfach und der Zuschauer muss es hinnehmen. Warum ist der Oger im Keller? Warum läuft er manchmal herum, warum ist er manchmal in seinem Ei (zumindest gehe ich davon aus, dass dieses glibberige, leuchtende Ding an der Kellerdecke sowas ist), warum läuft er manchmal frei herum? Warum ist er nur in seinem Keller unterwegs, kann am Ende aber frei draußen herumspazieren? Warum liegt Cheryls Teddybär im Keller, obwohl sie zuvor noch nie in der Villa war? Warum malt der Alte aus dem Dorf das Ei? Ja, warum nur...?

Wieder mal Fragen über Fragen. Hat sich der Drehbuchschreiber (Es ist mal wieder Dardano Sacchetti, und auch Bava selbst bekam den Credit fürs Skript), hat sich da nicht irgendjemand gefragt, dass man nicht wenigstens irgendwie diese Sachen erklären sollte? Dass man die wichtigsten Storypunkte nicht einfach unbeantwortet liegen lassen sollte? Wenn ich jetzt ganz böse wäre, könnte ich sagen: Der Film ergibt, wenn man das berücksichtigt, von vorne bis hinten null Sinn. Ne, das kann man nicht nur so sagen, das ist so.

Aber gut, bei den Italienern, oder zumindest im italienischen Horror, heißt es ja oft: Style over Substance. Die Geschichten waren ja nie unbedingt das gelbe vom Ei und ich kann sowas durchaus verzeihen, wenn denn der Rest stimmt. Stimmt dieser Rest denn? Glücklicherweise, ja, eigentlich schon. Das Setting ist halt schon etwas fürs Auge. Sowohl die Landschaft der italienischen Provinz zu Anfang, als auch die alte Villa im Hauptteil, die damit praktisch die einzige Kulisse stellt. Dieses alte zerfallene Gemäuer hat einfach etwas und wirkt wie geschaffen für einen Horrorfilm, da würden mir direkt zahlreiche Geschichten einfallen, die man dort spielen lassen könnte. An jeder Stelle merkt man den Zerfall. Es ist staubig, verwinkelt, kaputt, vermodert: Dunkle Winkel, breite Gänge, alles verlassen und auf jedem Objekt liegt die Schwere der Vergangenheit. Und Bava weiß das durchaus gut einzufangen, besonders der Keller schaut echt schön schaurig und versifft aus: dunkel, mit dicken Spinnenweben und ekligem Schmutz – das ist ne perfekte Horrorfilm-Kulisse. Und Bava weiß die große Villa und ihr Inneres mit einigen schönen Shots und Kamerabewegungen einzufangen, besonders die Alptraum-Szene zu Anfang ist durchaus Effektiv und das „Oger-Ei“ (wenn es das nun ist, wie gesagt: Beantwortet wird hier nichts) ist auch effekttechnisch gut gelungen. Phosphoreszierend, aus dem inneren leuchtend, schleimig, zuckend. Wenn ich sowas im Keller finden würde, würde ich direkt alles in Flammen setzen. Jedenfalls beweist Bava, dass er aus dem seeeeehr laaaangsamen Drehbuch doch noch so viel herausholen konnte, dass zumindest mir nicht wirklich langweilig wurde, im Gegenteil. Manchen Szenen haftet etwas Surreales, Fantasievolles an. Besonders der fantastische Soundtrack von Simon Boswell (Phenomena u.a) empfand ich zusammen mit den langsamen, verlassenen Bildern der verstaubten Villa als ziemlich effektiv, besonders, als die Familie das Grundstück zum ersten Mal betritt.

Aber nun zum Kern der Sache: Wie schaut es mit dem Oger aus? Also, ein Oger ist es bestimmt nicht, zumindest nach den gängigen Definitionen. Ich würde sagen, die Oger sind ja eh ein benachteiligtes Stück Mythologie und ich habe mir darunter bisher grüne Wesen mit Keulen vorgestellt, die in Höhlen hausen. Also eigentlich wie Trolle oder so, aber Norweger oder Schweden kennen da bestimmt die genauen Unterschiede. Aber: Das Monster was hier auftaucht hat mit solchen Ogern nicht viel am Hut. Es ist eher so ein Schleim-Dämon mit haarigen Klauen und die Maske, obwohl leicht als solche zu durchschauen, ist ja durchaus gut gemacht. Man sieht den Oger auch nicht oft, meistens nur sehr, sehr kurz, lediglich am Ende darf er sich in seiner Gänze präsentieren und Amok laufen. Blutig wird’s nicht, actionreich oder kreativ ebenfalls nicht, was Bava auch schade fand, im Fernsehen, und dafür wurde der Film ja gedreht, konnte man nun mal nicht alles zeigen. Dennoch wird angedeutet, dass der Oger mit seinen Opfern nicht unbedingt schöne Dinge vorhat... Das Ende vom Lied (spoiler erneut): Die Gummipuppe wird überfahren, der Oger grunzt ein letztes Mal in die Kamera und löst sich auf, fertig und Schluss. Da hätte ich mir mehr erhofft. So, wie die Story letztendlich ist, hätte man das Ganze auch als Kurzfilm umsetzen können.

Ebenfalls positiv ist aber noch die Hauptdarstellerin Virginia Bryant, die die verstörte und belastete Cheryl auch in den emotionaleren Momenten glaubwürdig rüberbringt, weder over- noch underactet, sondern das Ganze geerdet und ernst spielt und die Handlung damit besser macht, als sie eigentlich ist. Auch in Demons 2 und der Trash-Granate Die Barabren hatte sie noch Nebenauftritte, aber ihre Karriere hielt sich arg in Grenzen. Ihr Ehemann wird von Paolo Malco (sah man in diversen Italo-Filmchen in Nebenfiguren, u.a auch in New-York Ripper) ebenfalls annehmbar gemimt, nur die Stelle, an der er sie schlägt (nachdem sie ihn als Bastard bezeichnet) hat irgendwie einen faden Beigeschmack, weil die beiden ansonsten ein glaubwürdiges Ehepaar sind, die auch Chemie haben. „Lustigerweise“ wird diese Prügel danach nicht mehr erwähnt und Cheryl fällt ihrem Ehemann bereits nach knapp einer Minute wieder um den Hals... mehr wichtige Darsteller gibt es nicht, wenn man den Oger nun mal außen vorlässt. Der Sohn der beiden ist glücklicherweise nicht nervig, die Dialoge mit der Dorfbewohnerin (die auch keinen gesteigerten Mehrwert haben) wirken manchmal nur etwas hölzern.

Fazit:

The Ogre ist eine schwierige Angelegenheit. Es gibt viele positive Sachen: Die handwerkliche Arbeit ist durchaus gut, die Schauspieler sind solide und die Effekte auch. Die Kulisse ist sehr schön, ebenso wie die Musik. Aber wenn das Drehbuch eben nicht mehr ist als eine kurze Outline, einfach nicht viel passiert und die wichtigen Fragen gar nicht beantwortet werden, dann helfen all die anderen Sachen leider nicht. Mit mehr Action, mehr Sinn und Verstand und mehr Blut hätte The Ogre richtig gut werden können. So bereue ich die Sichtung nicht, aber es ist eben leider auch nichts geworden, was ich als „gut“ bezeichnen würde. Schade.

5,0/10 Punkten.