Original-/Alternativtitel: Horrors of Spider Island /
Jahr: 1960
Regisseur: Fritz Böttger
Schauspieler: Alex D’Arcy (Gary)
Vorwort:
Spinnen. Spinnen sind immer gut. Zumindest in Filmen, zumindest würde mir kein Spinnenfilm einfallen, der wirklich schlecht wäre. Arnolds Tarantula ist ein hervorragender Klassiker, auch des Bert I. Gordons Kopie Die Rache der Schwarzen Spinne ist ganz nett. Mörderspinnen von 1977 ist ein netter Beitrag zum Tierhorrorfilm der 70er, Arachnophobia ebenso, nur halt aus den 90ern. Und letztens kam mit Sting ja ein überraschend guter moderner Spinnenfilm heraus. Ok, Angriff der Riesenspinne von Bill Rebane (der mit der legendären VW-Spinnenattrappe) habe ich als ungenießbaren Güllestreifen in Erinnerung, aber das ist eine Ausnahme. Ansonsten sind Spinnen also freilich immer gern gesehene Filmmonster, ob in titelgebenden Hauptrollen oder in Nebenrollen (wie etwa als Gummiattrappe in Planet des Grauens). Ich selber finde sie zwar eher... unschön (ja ganz und gar grauselig), aber in Filmen sehe ich sie gerne.
Umso vielversprechender ist doch da ein vergessener Film namens The Horrors of Spider Island, oder nicht?
Inhalt:
Der im Showbusiness tätige Gary Webster heuert für eine Show in Singapur mehrere Tänzerinnen an. Über dem Meer stürzt das Flugzeug jedoch ab, glücklicherweise können sich die Frauen und er aber in ein Rettungsboot retten. Fünf Tage später, schon am Ende ihrer Kräfte, finden sie jedoch eine Insel und gehen an Land. Als Gary einen Hammer im Wald findet, vermutet er, dass jemand auf der Insel nach Metall, gar nach Uran suchen können. Sie finden eine Hütte, in der jedoch ein schreckliches Geheimnis lauert: Ein riesiges Spinnennetz, in dem ein toter Mann hängt. Dieser stellt sich als Professor Green heraus, wie seinem Tagebuch zu entnehmen ist, der tatsächlich ein Uran vorkommen auf der Insel entdeckt hat.
Wenig später allerdings wird Gary von einer großen Spinne gebissen. Er kann sie erschießen, mutiert jedoch. Daraufhin tötet er eine der Frauen und streift ziellos durch die Gegend.
28 Tage später sind die Frauen immer noch auf der Insel, doch Rettung naht: Zwei Mitarbeiter von Green kommen auf die Insel, doch ihr Schiff kommt erst am nächsten Morgen. Und bis dahin müssen sie es mit dem Mutanten aufnehmen...
Besprechung:
Ach, hatte ich erwähnt, dass es sich um eine Deutsche Produktion handelt? Nein? Im Original heißt diese Absurdität von Film nämlich Ein Toter hing im Netz, was ja wahrlich ein hervorragender, und sogar passender Titel ist, denn es gibt tatsächlich einen Toten, und im Netz hängte er auch noch – der Rest ist dann aber, naja, nicht so wirklich das, was man sich erhofft.
Ohnehin ist der Streifen wirklich einzigartig, würde ich sagen. Deutsche Horrorfilme aus der Nachkriegszeit sind ja ohnehin eine absolute Rarität, und wenn es sie gab, so sah man doch wenigstens, dass sie Deutsch, oder wenigstens Europäisch waren. Die Nackte und der Satan von 1959 hatte eine schöne schwarzweiß Photographie, die fast ein bisschen an den Expressionismus der 20er erinnerte. Und Die Schlangengrube und das Pendel sah nach klassischem frühen Eurohorror aus. Ein Toter hing im Netz nun aber sieht überhaupt nicht danach aus: Hätte ich es nicht gelesen, dass es ein Deutscher Film ist, ich hätte gedacht, dass es eine typische US Drive-In Schote ist, gerne auch geschossen von Roger Corman und/oder der AIP. So sieht der Film nämlich auch aus: Nach einem billigen, innerhalb von 5 Tagen heruntergekurbelten Schlock-Horrorfilm aus den besten Monsterzeiten des Drive-Ins. Umso seltsamer ist es eben, dass es ein Deutscher Horrorfilm von 1960 ist, denn „Deutsch“ ist hier wirklich nichts. Es spielt in den USA (zumindest der Anfang), die Charaktere sind auch Amerikaner. Offenbar schielte Produzent Wolfgang C. Hartwig sogleich auf potenzielle Verkäufe ins Ausland, was ja eigentlich auch ganz folgerichtig war. Jawohl, der Film wurde vom notorischen Schmutzfink Hartwig produziert, der schon Die Nackte und der Satan gemacht hatte, und später Jess Franco gerne ein bisschen Geld gab, um den nächsten Schmuddelfilm in die Kinos zu werfen – und von seinen bekloppten Report-Filmen wollen wir hier gar nicht erst anfangen (sowas kommt mir gar nicht erst auf meine Website!).
Aber eigentlich ist es dafür schon zu spät, denn Ein Toter hing im Netz bedient das, wofür Hartwig später bekannt sein sollte. Es ist nicht nur dummer Quatsch, sondern für das Entstehungsjahr auch schon ausgesprochen freizügiger dummer Quatsch – was den katholischen Filmdienst selbstverständlich auf die Palme brachte.
Das Skript, ebenfalls von Regisseur Fritz Böttger heruntergerasselt, ist jedenfalls eine Sternstunde von Zeitschinderei, dummen Szenen, schwachsinnigen Dialogen und hanebüchenen Einfällen. Es fängt ja erstmal dabei an, dass man den Film von 84 Minuten wirklich ohne weiteres auf 30 Minuten hätte kürzen können. Schon die ersten 10 Minuten sind völlig irrelevant, da da nur die einzelnen Bewerberinnen tanzen dürfen. Und apropos tanzen: Man könnte ja meinen, dass man, gestrandet auf einer einsamen Insel, auf der Leute verschwinden und riesige Spinnennetze gespinnt sind, irgendwas Sinn- oder Gehaltvolles tun würde. Der einzige Film, in dem klischeehafte Frauenzimmer gleichsam Schwachsinniges treiben, dürfte da höchstens Cormans Die letzten Sieben von 1955 sein, wo eine der Überlebenden eines Atomkriegs u.a Sonnenbaden geht. Ähnlich stupide verhält es sich hier: Das nervige und inkompetente Frauenzimmer tut nie auch nur irgendwas im entfernten Nützlichen. Es wird genörgelt und geschimpft, sich geprügelt und im Dreck gewälzt, weil man sich um Kleider streitet (oder um Männer, sobald diese auftauchen). Eigentlich sind ALLE Dialoge und Handlungen im Film, die von Frauen getätigt werden, äußerst fragwürdig. Statt sich irgendwie ums Überleben zu scheren, wird deppert getanzt oder im Wasser geplanscht. Lustig ist besonders, dass sie rumheulen, dass sie nur für einen Monat Rationen haben. Plötzlich sind dann 28 Tage rum (ich frage mich, was die Frauen oder der Spinnenmann Garry in der Zwischenzeit gemacht haben) und was tun die Frauen: Schwimmen gehen! Auch ansonsten sind sie immerzu passend geschminkt, haben nach dem Flugzeugabsturz noch ihre Stöckelschuhe, Handtaschen und Schminksets dabei. Prioritäten eben.
Abgesehen von diesen Dummheiten (die aber wenigstens teilweise etwas amüsant sind), fehlt dem Skript von Böttger jedwedes Gespür für Dramaturgie oder Spannungsaufbau. Ein Pacing existiert nicht. Ein Mann und ein Haufen Frauen stürzen mit dem Flugzeug über dem Meer ab (dass sie diesen Absturz eigentlich nicht hätten überleben können, zumindest wie er im Stock-Footage hier aussieht, ist ja eh wurscht), retten sich auf eine Insel, Mann wird von Spinne gebissen, läuft ein bisschen rum, am Ende fahren sie wieder ab. Innerhalb dieser ohnehin althergebrachten Konstellation geschieht nichts – keine Charakterisierung (wer hätte sowas auch erwartet), echte Konflikte erst recht nicht. Der Spinnenmann Garry tut bis auf das Finale nichts, außer den Frauen auf die Schulter zu tippen (was diese nicht mal merken), das Geprügel der beiden Saufkumpanen, die Helfer von Doktor Green, die später auf die Insel kommen, ist erst recht sinnlos und dämlich. Ohnehin frage ich mich: Wie hat Green die beiden überhaupt kontaktiert? Ein Telefon auf der Insel gab es ja nicht. Ganz besonders absurd ist ja: Einer der beiden findet fremde, schwimmende Frauen an der Lagune der Insel, und was macht er? Versteckt sich im Schilf und entführt die eine! Und was macht die? Sie lässt sich drauf ein. Ach, bei diesem Skript ist wahrlich Hopfen und Malz verloren...
Wo aber nicht Hopfen und Malz verloren waren: Bei den Effekten. Ok, Objektiv bewegen wir uns hier auf dem Niveau von Bestie des Grauens, den ich nach wie vor für einen der schlimmsten Monsterfilme der 50er halte. Die Spinne dort, sprich, ein ultrabilliges Pappmaché-Viech, dürfte kostentechnisch in etwa auf demselben Niveau der Spinne hier rangieren. Es ist wirklich herzallerliebst, diese ultrabillige Attrappe. Für ein paar Mark zusammengeschustert, aber diese beiden großen schwarzen Äuglein und die Krallen sind schon echt süß. Wobei – welche Spinne hat bitte zwei Augen und Krallen?
Schade ist da nur, dass diese Spinne schnell von Garry erschossen wird, der nicht auch nur die Hälfte des Unterhaltungspotenzial der Spinne hatte. Stattdessen darf er nach einem Biss des Viehs mutieren und läuft daraufhin als Werwolfverschnitt durch den Forst. Bzw. offenbar nicht, denn er lässt sich für 28 Tage ja offensichtlich nicht blicken. Das Make-Up schaut dann passend grauselig aus, sprich: Äußerst billig und dümmlich, aber das wollen wir ja genau so. Der Schauplatz hingegen taugt auch nicht viel. Wenn’s wenigstens ne schöne Südseeinsel wäre, meinetwegen sogar mit dem üblichen Ureinwohner-Quatsch, aber das hier bietet wirklich nicht besonders viel fürs Auge, und das dürfte auch schon damals so gewesen sein.
Zusammen bringen es die beiden, also die Spinne und der Mutanten-Garry, auf vielleicht... 5 Minuten Screentime. Was passiert die restliche Zeit? Wie schon oben gesagt: Es wird dümmlich herumgezickt und getanzt – wobei die ja nicht mal einen Plattenspieler vor Ort haben, also wozu, bitteschön, tanzen die denn? Ach ja, und der Jazzsoundtrack des Films könnte einem nach zehn Minuten auch etwas nerven...
Fritz Böttger begibt sich regietechnisch auf das Niveau des schmuddeligen Kaspertheaters. Der ehemalige Theatertänzer stümpert sich bewegungs- und ziellos durch die 84 Minuten. Die Kamera bewegt sich so gut wie gar nicht, bei den „wichtigen“ Szenen (etwa bei der finalen „Verfolgungsjagd“ mit dem Spinnenmann) wird die Sicht auch gerne Mal durch Bäume behindert. Das ist wirklich genau der „Stil“ von Cormans ersten Gehversuchen als Regisseur, aber der hat sich wenigstens weiterentwickelt. Wovon bei Böttger keine Rede sein kann, denn Ein Toter hing im Netz war sein dritter und letzter Auftrag als Regisseur. Zumindest beim Skriptschreiben war er aktiver, da hat er vor allem Anfang der 50er einige Drehbücher verfasst, zu Filmen, die heute kein Schwein mehr kennen dürfte...
Für den Cast holte man sich als „Leading-Man“ extra den Ägypter Alex D’Arcy aus den USA her, der später auch noch einen Auftritt in Adamsons Blood of Draculas Castle verbuchen „durfte“. Zumindest Anfang zwischen Ende der 30er bis Anfang der 50er hatte er Rollen mit Niveau, und das durchaus in besseren Filmen wie in How to Marry a Millionaire mit Marilyn Monroe oder The Awful Truth mit Cary Grant. Allzu viel Spaß wird ihm die ganze Chose hier demnach kaum gemacht werden, und wenn er nicht auch noch die hässliche Monstermaske aufziehen musste, dann hat er sich sogar seine Würde bewahrt. Sein Garry tut zwar nichts gesteigert Sinnvolles, aber dafür auch nicht wirklich Dummes (nur eine Szene mit ihm ist ziemlich dämlich: Er findet einen einzelnen Hammer im Gebüsch und schließt daraus, dass es auf der Insel wohl Uran geben müsse, ah ja). Der restliche Cast ist ziemlich irrelevant. Die Mädchen müssen nicht schauspielern, sondern nur tanzen, und wie ihre Charaktere im Film wurden sie von Hartwig nur wegen ihrem Aussehen in den Cast aufgenommen (jetzt weiß ich, woher Böttger die Idee für den Anfang hernahm). Lustigerweise spielte sogar der legendäre Synchronbuchautor Rainer Brandt, der Bud Spencer seine Sprüche gab, als Bobby mit – der aber auch nicht viel Sinnvolles tut. Wie jeder hier überhaupt.
Fazit:
Ein Toter hing im Netz ist ein dämlicher Film, das war ja eigentlich klar. Es ist ein billiger, schlecht gemachter Streifen, mit zwar hübsch-trashigen Effekten und Attrappen, die aber leider zu wenig Screentime haben. Letztendlich ist er deswegen nicht besonders memorabel, aber als Obskurität aus Deutschen Landen und als Monsterfan könnte man trotzdem mal einen Blick riskieren – man sollte nur keine großen Ansprüche haben.
5/10 Punkten.