Original-/Alternativtitel: Dracula AD 1972 /
Jahr: 1972
Regisseur: Alan Gibson
Schauspieler: Christopher Lee (Graf Dracula), Peter Cushing (Van Helsing), Christopher Neame (John Alucard), Stephanie Beacham (Jessica Van Helsing)
Vorwort:
Alle Tage wieder muss, das ist hinlänglich bekannt, Hammer einfach sein. Und gerade im Oktober gibt’s doch nicht Besseres. Eigentlich müsste ich ja mal einen „Shocktober“ machen oder so, wie anderes es auch tun, in dem sie den ganzen Oktober nur Horrorfilme besprechen. Die Sache ist nur: Ich mache das ganze Jahr ja schon nichts anderes! Und außerdem beginnt auf dieser Seite hier der diesjährige Oktober auch etwas verspätet.
Dann aber immerhin mit etwas Hochkarätigem (naja, geht so). Nachdem ich mir zur 50sten Review Amicus mit Der Foltergarten des Dr. Diabolo vorgenommen hatte, kehre ich nun zu Hammer zurück. Und gleich auch zu Dracula und auch noch zum wohl absurdesten Film von Hammers-Vampirismus Output. Wobei da wieder der deutsche Verleiher schuld ist: Aus Dracula AD 1972 wird Dracula jagt Mini-Mädchen. Na, wenn das nicht was werden kann...
Inhalt:
1872, London: Nach einer wilden Kutschenfahrt gelingt es Van Helsing, den gefürchteten Graf Dracula mithilfe des Kutschenreifens zu vernichten. Leider stirbt er dabei auch und jemand nimmt des Grafen Asche mit. 100 Jahre später wird diese von John Alucard verwendet, um seinen Meister wiederzubeleben. Er überredet eine Gruppe um die junge Jessica van Helsing dazu, bei einer schwarzen Messe teilzunehmen – und das Ergebnis muss der Enkel von Van Helsing ausbaden...
Besprechung:
So, von der klassischen Dracula-Reihe á la Hammer fehlen mir hiernach nur noch zwei (Die 7 Goldenen Vampire zähle ich irgendwie nicht dazu, weil Lee nicht dabei ist... wobei ich dann Brides of Dracula auch nicht dazu zählen dürfte... ach, egal). Zur Lage des Filmstudios um das Jahr 1970 und den damit einhergehenden inhaltlichen und stilistischen Änderungen (oder eben den nicht ausreichenden Änderungen) habe ich mich schon zwei Mal gewidmet, und zwar in Frankensteins Höllenmonster und Dracula – Nächte des Entsetzens. Nachdem dieser nun wirklich inhaltlich wie finanziell eine Enttäuschung für Hammer war (er war nun mal absolut uninspiriert, aber trotzdem noch „ganz nett“, siehe meine Review), wollte oder besser musste man der Reihe neues Leben einhauchen. Und wie geht das? Natürlich katapultiert man den Grafen in die (relative) Gegenwart und lässt ihn auf ein paar Hippies in London treffen.
Und das ist doch durchaus eine interessante Sache, oder nicht? Meiner Meinung nach bietet das durchaus Potenzial, den klassischen Vampir mal in das Großstadtleben zu werfen. Allerdings muss man da natürlich kreativ sein, so auf die schnelle würde mir da auch keine coole Storyline einfallen... Dracula als gieriger Politiker, der aber aufgrund seines oberflächlichen Charmes Erfolg hat? Als eine Art moderner Jack the Ripper? Es gäbe sicherlich ein paar wirklich neue Ansätze, aber leider entscheidet sich Drehbuchschreiberling Don Houghton für den „einfachen“ Weg, möchte ich fast sagen. Er war absolut kein Hammer-Stammschreiber, kam vom Radio über das Fernsehen zum Film und schrieb bei Hammer hier die letzten drei Dracula-Einträge: Der Reihe neues Leben einzuhauchen, diesen Auftrag hat er also wohl eher nicht erfüllt.
Woran liegt’s aber? Meiner Meinung nach an zu wenig Mut. Hammer will die Dracula-Reihe hier irgendwie modernisieren, traut sich aber nicht, auf die Vollen zu gehen. Dracula in der Gegenwart? Gerne, aber dann darf er trotzdem nur in den klassischen Kirchen und auf den Friedhöfen herumlaufen. Außerhalb der klassischen Gothic-Sets sieht man ihn leider nie – wieso? Man will die Reihe modernisieren, modernisiert aber nicht seinen Hauptcharakter. Natürlich ist es schwer, diese Figur in eine moderne Welt zu integrieren, da muss man experimentieren, etwas wagen – das könnte freilich nach hinten losgehen, aber es hätte auch etwas richtig Gutes werden können.
Aber nun gut, eigentlich bleibt Hammer auch mit Dracula AD 1972 (den deutschen Titel werde ich nicht mehr verwenden) beim Alten. Die „neue Richtung“ ist nur sehr oberflächlich: Statt Kutschen fahren nun halt Autos durch die Gegend und alles spielt im „geht so“ schönen London Anfang der 70er. Dazu wird noch die zeitgenössische Musik gefeiert (im wahrsten Sinne des Wortes), was jetzt auch nicht mein Fall ist (ebenso wie die Mode), aber abgesehen davon hätte man die Story auch ohne weiteres im Jahre 1800 noch was ansiedeln können. Die Hauptidee, dass Dracula durch eine Mutprobe einer Gruppe, die von einem Diener Draculas dazu verleitet wird, wiederbelebt wird, hat man ausgerechnet ja schon in Wie schmeckt das Blut von Dracula? verwendet, also neu ist hier wirklich das Wenigste.
Naja, also aber wenn man bei Hammer das Alte bekommt, ist es doch trotzdem ok. Akzeptiert man, dass Dracula jagt Min Dracula AD 1972 alter Wein in neuen Schläuchen ist, kann man als Hammer-Fan trotzdem Spaß damit haben. Der zieht sich nicht, hat mit Lee und Cushing All-Time Favorites an Bord, ist hübsch gefilmt und die Story ist da nur zweckmäßiges Beiwerk, möchte man fast meinen. Wie gesagt: Die Idee mit einer schwarzen Messe als „lustiger Zeitvertreib“ hatte Hammer schon verwendet. Hier macht das aber schon Sinn, denn in den 70er Jahren soll sowas unter Jugendlichen ja in Mode gewesen sein (habe ich mir sagen lassen). Die Charaktere sind allerdings absolut 0815, durch die Bank weg, und die ersten Opfer nur blasses Kanonenfutter, die nicht weiter zu beachten sind. Was Ralph Bates in Wie schmeckt das Blut von Dracula? war, das ist Christopher Neame als John Alucard nun hier: Ein jüngerer, düsterer Zeitgenosse, der die Gruppe dazu verleitet, ihm beim ritual zu dienen, das Dracula zurückholt. Im Grunde kann man das Skript auf „Ritual – Dracula taucht auf - Dracula meuchelt – Van Helsing tötet Dracula“ herunterbrechen. Tut mir leid, falls ich dieses absolut unvorhersehbare Ende nun für jemanden gespoilert habe. Nein, wer die anderen Hammer-Draculas kennt, der wird hier von Anfang an wissen, was wann und wie passiert. Neue Ideen, neue Ansätze, gibt es nicht.
Aber dennoch ist er nicht langweilig. Nun, auch ein „schwächerer“ Hammer-Film ist immer noch gut (Dracula – Nächte des Entsetzens ist das beste Beispiel), aber ich würde die Version hier nicht mal als schwach bezeichnen, wenn man erstmal hinnimmt, dass es mal wieder das Altbekannte zum x-ten mal ist. Sicher, das kann man nur zu gern kritisieren, aber genau deswegen mag man Hammer ja irgendwie auch.
So, im Inhalt nichts Neues quasi. Dass der Film für mich unterhaltsamer ist, als Dracula braucht frisches Blut liegt auch daran, dass man etwas mehr Geld in die Hand genommen hat. Die klassischen Gothic-Szenen sind mal wieder wunderbar gelungen. Die Ritual-Szene ist schön atmosphärisch geworden und hat nebeliges Feeling und schafft schon so das Gefühl von „ein spaßhaftes Ritual was zu extrem wird“, Draculas Erscheinen kommt relativ schnell und ist auch cool in Szene gesetzt (und außerdem taucht Christopher Lee in einer Nebelschwade auf, das reicht ja wohl!). Insgesamt ist der Film von Regisseur Alan Gibson gefällig inszeniert. Gut, die „modernen“ Szenen (ich denke nur an die Party am Anfang) sind irgendwie ungelenk, ebenso die Action im Finale, aber Christopher Lee wird sehr schön aufgenommen, ebenso wie die Kirche. Gibson war ja freilich kein Hammer-Stammregisseur, wurde vom Studio aber auch für The Satanic Rites of Dracula auf den Regiestuhl gesetzt, und machte mit Peter Cushing später auch noch die Episode The Silent Scream. Es gibt noch ein paar kleinere Spielereien mit der Kamera, es ist natürlich nichts großartiges, aber definitiv lebendiger als Dracula braucht frisches Blut. Nur leider schafft man es nicht, die modernen Szenerien irgendwie mit den alten Szenerien sinnig zu verbinden.
Zu den Akteuren. Zu Christopher Lee muss ich nichts sagen, tue es aber trotzdem. Ja, inzwischen habe ich meine Aussage widerrufen: Bela Lugosi ist, nachdem ich sein Dracula nochmal gesehen habe (review wird definitiv irgendwann kommen), schon der legendärere Graf. Aber Lee ist natürlich trotzdem fantastisch, so auch hier. Dass er wenig Lust auf diesen Film hatte (und es nur machte, um Hammer zu unterstützen) merkt man, aber auch ein Lee auf Sparflamme ist besser als 95% der anderen Schauspieler in solchen Filmen. Wenn seine Stimme durch eine alte Kirche dröhnt, er seine Opfer anstarrt oder im Neben nur böse gucken darf, dann bereitet das viel Freude! Und hier ist er auch aktiver als in Dracula – Nächte des Entsetzens, wirkt irgendwie mehr bei der Sache, auch wenn sich seine Screentime doch in Grenzen hält. Aber es ist ausreichend und immerhin bekommt er auch ein paar Sprechzeilen.
Und wenn man dann auch noch Peter Cushing dazusetzt, ja, dann hat man seinen Traum-Cast schon. Da sind mir die anderen Schauspieler fast schon egal. Zu diesem Zeitpunkt war er nach dem Tod seiner Frau natürlich sehr angeschlagen und so sehr gealtert, dass er den Großvater geben musste und nicht den Vater, wie ursprünglich vorgesehen. Seine Präsenz als Van Helsing ist hier absolut wunderbar und wenn er am Ende in der Kirche „Dracula“ schreit, ist das ein wunderschönes Wiedersehen in der Serie: Schließlich ist es das erste Aufeinandertreffen der beiden seit dem Original 1958! Es ist nett, Cushing mal durch die Gegenwart stolpern zu sehen, auch wenn er logischerweise den altmodischen Gentleman gibt. Als besorgter Großvater ist er sehr sympathisch und die Rolle spielt er mit Bravour.
Ansonsten haben wir auch noch Christopher Naeme als Dracula-Jünger Johnny Alucard... jaja, dass man dieses dämliche Wortspiel seit Son of Dracula (da noch mit Lon Chaney Junior) ernsthaft und seriös verwendet hat, wundert mich doch schon, das konnte doch nie mehr als ein Gag sein. Naja, wie dem auch sein, Naeme steigert sich bei der Ritual-Szene schön hinein und hat etwas dunkles Charisma. Ansonsten sind sowohl die Figuren als auch deren Schauspieler ziemlich uninteressant. Stephanie Beacham als Jessica van Helsing ist ok, der Rest der Truppe ist nun wirklich nicht erwähnenswert. Und der Arm des Gesetzes in Form von Michael Cole (war auch beim nächsten Dracula dabei) hat absolut gar nichts zu tun.
Wichtig zu betrachten ist natürlich auch, ob Hammer hier die Gewaltschraube angedreht hat? Pah, wer’s glaubt, da bleibt sich Hammer treu. Nacktheit gab’s, glaube ich, erst im nächsten Teil, und bis auf etwas Kunstblut passiert nicht mehr Horribles – da war Dracula braucht frisches Blut „deutlich“ brutaler. Wenn man sich mal vor Augen führt, dass im selben Jahr Der Exorzist in die Kinos kam, war der Untergang von Hammer eigentlich fast folgerichtig. Natürlich, Der Exorzist ist ein Ausnahmefall, aber im Gegensatz zu diesem wirken die Hammer-Filme wirklich antiquiert. Im Grunde war Hammer ja auch nur so acht, neun Jahre wirklich „modern“. Der finale Kampf zwischen Helsing und Dracula geht dann leider auch ziemlich schnell vorbei und Dracula stellt sich meines Erachtens nach etwas dämlich an. Die letzte Szene hat aber etwas: Er landet dampfend in der Grube und Cushing drückt in mit der Schaufel auf den Pfahl. Da suppt das Kunstblut ordentlich.
Fazit:
Dracula jagt Mini-Mädchen (jaja, zum Abschluss nochmal) hat nicht nur einen der dümmsten Filmtitel aller Zeiten (gottseidank nur in Deutschland. Bei dem Titel hätte Lee sofort abgelehnt, verständlicherweise), sondern ist auch keineswegs ein „Neuanfang“ der Reihe. Wenn man das hinnimmt, ist es aber ein durchaus spaßiger, kurzweiliger Dracula-Film der Marke Hammer. Das liegt an einigen schönen Sets, ein paar klassischen, gelungenen Gothic-Szenen und natürlich an Christopher Lees und Peter Cushings Präsenz. Mir hat er Spaß gemacht!
7/10 Punkten.