Original-/Alternativtitel: The Satanic Rites of Dracula / Dracila is Alive and Well and Living in London / Dracula vit toujours à Londres / Szatański plan Draculi
Jahr: 1973
Regisseur: Alan Gibson
Schauspieler: Christopher Lee (Graf Dracula), Peter Cushing (Van Helsing),
Vorwort:
Abteilung: Wenn man gerade schon dabei ist...
Ja, wenn man gerade schon bei den Hammer-Filmen ist, und mit Dracula jagt Minimädchen trotz des abstrusen Titels gut unterhalten wurde, dann kann man getrost zum nächsten Vampirismus-Titel des Hauses schreiten. Ebenjener war freilich kein großer Erfolg, aber Hammer hatte nun mal nichts anderes und so entschied man sich dazu, den Grafen schon im nächsten Jahr erneut auferstehen zu lassen. Wieder beauftragte man Alan Gibson und Don Doughton mit der Regie bzw. mit dem Drehbuch, Peter Cushing musste erneut den Pflock zur Hand nehmen und Christopher Lee schlüpfte zum nun wirklich allerletzten Mal in das Cape des Blutsaugers – allerdings unter Protest, wie er just auf der Pressekonferenz mitteilte, auf die der Film überhaupt angekündigt wurde... was das wohl heißen mag.
Inhalt:
Der Scotland Yard hat die Spur eines mysteriösen Zirkels aufgenommen. In einem abgelegenen Herrenhaus treffen sich regelmäßig fünf wichtige Männer aus England Wirtschaft und Politik – und unterhalten dort offenbar einen Satanismus-Zirkel. Ein Maulwurf des Scotland Yard konnte dort die Mitglieder heimlich fotografieren, nur auf dem letzten Bild sieht man niemanden... Inspektor Murray und sein Kollege Matthews nehmen sich der Sache an und holen schließlich den Experten Van Helsing ins Boot. Dessen Tochter Jessica gerät aber auch bald in Gefahr.
Besprechung:
Irgendwie ist es ja ironisch: Mit Dracula AD 1972 wagte Hammer mitsamt Titelankündigung den ach so großen Neuanfang der Serie, der im Grunde gar keine Neuausrichtung war und wieder nur Altbekanntes aufwärmte (siehe dazu meine Review). Ausgerechnet mit dem nächsten Titel im Folgejahr, diesmal mit unscheinbarerem Namen, taten sie dann das, was sie eigentlich schon zuvor hätten tun sollen: Nun wird Dracula richtig modern. Also so richtig, mitsamt Sicherheitssystemen, Schusswaffen, Politik und eigenem Büroturm. Das ist ja eigentlich genau das, was ich schon im vorigen Teil hatte sehen wollen, sprich – eine wirkliche Modernisierung des Vampirmythos. Stoker hatte die Figur im Grunde ja auch schon so im Roman angelegt, wenngleich eine Nummer kleiner: Dort fährt er ja nach London und bringt seine Krankheit/das Böse in die moderne Welt. Selbige Metapher konnte man ja auch Murnaus Nosferatu andichten und so ist es folgerichtig, dass Hammer diesen Schritt ging, wenn auch sehr spät, möchte man sagen.
Mit Dracula braucht frisches Blut (zwar kein dummer, aber ein sehr nichtssagender deutscher Titel) brachte es Hammer endlich über das Herz, sich von (fast) allem zu trennen, was die vorigen Teile ausmachten. Es gibt keine Gothic-Atmosphäre mehr, auch die alten Gemäuer und auch Kirchen mitsamt Spinnennetzen wurden getilgt, die gerade in Dracula jagt Minimädchen ja trotz des modernen Settings den Hauptschauplatz ausmachten. Deswegen ist Dracula braucht frisches Blut bestimmt nicht perfekt, nein, aber eine willkommene Abwechslung im Output des Studios. Das Skript von Drehbuchautor Don Houghton tat hier endlich das, was sich schon im Vorgänger anbot – und hat dennoch leider ein paar Schwächen, was aber auch im Zusammenhang mit der Inszenierung zusammenhängt. Kombiniert hat man offensichtlich ein bissle Euro-Spy mit Dracula (logischerweise): Dracula als fast James Bond artiger Bösewicht, der im Hintergrund einer Schattenorganisation die Fäden zieht und einen Evil-Masterplan hat, der die ganze Welt vernichten zu droht – passenderweise sagte Lee einmal ironisch, es sei eine Kombination von Dr. No und Howard Hughes geworden. Das ist schon cool und war mehr als überfällig: Schon in den vorigen Teilen konnte man sich ja fragen, wieso Dracula, eines der mächtigsten Wesen der Welt, alleine auf einer Burg im Nirgendwo hockt und höchstens eine Handvoll Diener hat. Hier, so fühlt es sich an, wird endlich das Potenzial ausgespielt, was der Figur zu Grunde liegt.
Tja, und das ist dann leider auch das Problem. Nein, man könnte Dracula, gerade wenn Lee ihn spielt, fantastisch als mächtigen Drahtzieher darstellen, aber dafür hat Hammer natürlich nicht die finanziellen Mittel. Alles spielt sich in ausgesprochen kleinen Dimensionen ab. Draculas Geheimzentrum seiner Evil Masterpläne? Ein Büroturm (von dem man kaum etwas sieht) und ein Haus im Wald mitsamt schäbigen Sicherheitsraum. Seine Helfer? Eine Handvoll Motorradfahrer sowie scheinbar sehr wichtige Männer aus Politik und Wirtschaft (deren Macht man aber nie auch nur annähernd mitbekommt). Nein, die Idee ist sehr gut, nur zur Umsetzung reichts leider nicht mehr bei den Kollegen von Hammer. Nicht nur die Seite der Bösewichte wirkt kaum so, als wenn sie internationalen Terror verbreiten könnten, auch die Seite der Guten muss ordentlich kleine Süppchen kochen. Da kommen zwei Agenten daher, die ohne den guten alten Van Helsing eh nichts ausrichten würden können. Man könnte das ganze im großen Stil hervorragend aufziehen, vor allem für Lee, der so richtig einen diabolischen Größenwahnsinnigen geben könnte, wenn man die passenden Dimensionen bereitstellen würde, die das Drehbuch dafür verlangt. Das war wahrscheinlich auch ein Grund, warum man Hammer sich so sträubte, sich vom Gothic-Horror zu lösen: Denn in diesem Metier konnte man auch ohne allzu große Kosten zwar nicht viel, aber doch optisch sehr ansprechendes auffahren.
So ist das Ganze zwar ganz nett, aber nicht so ganz mitreißend und schon gar nicht glaubwürdig, aber ok. Auch zu Gute halten muss man dem Skript, dass es das erste Mal auf den Vorgänger aufbaut! Wo gibt’s denn sowas? Van Helsing erzählt tatsächlich von dem Ende aus Dracula jagt Minimädchen. Toll, nur leider vergisst Doughton dabei zu erklären, wie Dracula denn jetzt wieder zurückgekehrt ist bzw. wer diesmal sein Helferlein war, der seine tote Asche mit Blut betröpfelte! Die Kirche aus dem Vorgänger wurde inzwischen gegen einen Büroturm ersetz, aber das beantwortet die Frage ja auch nicht. Dass Van Helsings Enkelin dann auch von einer anderen Schauspielerin dargestellt wird, lässt das, was eigentlich hätte gut werden können, nämlich der Aufbau einer Kontinuität, wieder sinnlos erscheinen. Nervig sind auch die ein oder andere Länge im Mittelteil, auch weil der Streifen merklich ausgebremst wird, wenn keiner der beiden Superstars auf der Bildfläche zu sehen ist. Denn obwohl der Ansatz mal etwas ganze Neues ist und sich am Anfang erst alles entfaltet, passiert jetzt auch nicht wirklich vieles von Belang und gerade Lees Screentime ist limitiert.
Aber ok, bei Hammer backte man nun mal kleinere Brötchen und die Continuity war eh immer wurscht. Ich will über den Film auch gar nicht herziehen, denn er hat mich trotzdem gut unterhalten. An der Optik liegts bei Hammer diesmal aber nicht, obwohl das ja eigentlich wirklich fast immer ein sicherer Pluspunkt für das Studio war. Aber diesmal gibt es eben auch keine Gothic-Sets. Der Ritualraum für Draculas Satanismus ist ganz nett, irgendwie aber zu steril und zu sauber. Ein bisschen erinnert das an The Devil Rides Out, aber für eine gelungene Okkult-Atmosphäre hat es nicht gereicht. Der Rest der Sets ist dann auch nicht der Rede wert: Irgendwelche Häuser in London, ein paar Wälder und Wiesen. Hinzu kommt, dass die Ausstattung ja freilich auch nicht üppig ist, Hammer musste eben sparen. Das Sicherheitsbüro hat ein paar Kästen mit Elektrozeugs im Inneren und der Ritualraum ist, wie gesagt, ziemlich leer. Und die paar Motorradfahrer sind nun auch keine Augenweide.
Ich kann nun gar nicht richtig sagen, wieso Dracula braucht frisches Blut dennoch bei mir funktionierte. Trotz ein paar Längen fand ich ihn, besonders zum Ende raus, insgesamt doch kurzweilig genug. Die Action-Szenen sind cool und die Retter des Films hören deswegen wie sooft auf die Namen Lee und Cushing. Wenn sie nicht im Bild sind wird’s sofort merklich uninteressanter, weil die restlichen Figuren kaum von Belang sind. Cushing gibt erneut den sich sorgenden Großvater, wenn auch nicht so fürsorglich wie im Vorgänger, ist aber wieder mit vollem Ernst dabei. Und Lee ist wieder Dracula, mehr muss man nicht sagen. Die Dialoge sind zwar manchmal etwas plump und Lee merkt man wieder an, dass er das Ganze eher aus Nettigkeit, als aus Interesse macht, aber wie bereits gesagt: Auch Lee auf Sparflamme ist hervorragend. Besonders schön ist, dass sich die beiden auch mal als Van Helsing und Dracula unterhalten dürfen, wenn die Szenen auch kurz sind.
Hammer erhöhte diesmal aber erneut den Sleaze-Faktor. Gut, für 1973 war das zwar immer noch nicht wirklich hart, aber diesmal gibt’s mehr Nacktheit, brutaler als Dracula – Nächte des Entsetzens ist er trotzdem nicht, obwohl ein paar Vampirinnen im Keller angekettet sind. Der Kampf dort ist auch, mit Zeitlupe, etwas sonderbar... und das Finale zwischen Lee und Cushing ist zwar gewohnt schön, aber Dracula ist schon etwas doof, wenn er sich in einem Weißdornbusch so verfängt, dass er sofort verblutend zu Boden geht. Die Idee, dass Dracula die Apokalypse ausbrechen lassen will (was eine hervorragende Idee ist, nur so nebenbei) kulminiert im Finale auch noch in einem netten Make-Up Effekt eines Pestkranken. Die Inszenierung von Alan Gibson ist zweckmäßig, manchmal etwas seltsam (die Kämpfe im Keller) und hier und da in den Kämpfen etwas „träge“ (wie schon im Vorgänger bemerkt). Wieso steht Dracula nur dumm rum, wenn um ihn herum die Bude abfackelt? Warum greifen die Vampirinnen nicht ein, als die Agenten Jessica Van Helsing retten?
An Cushing und Lee kommen die restlichen Akteure dann auch einfach nicht heran, was gerade wichtig gewesen wäre, da sie oft genug auf eigene Faust agieren. Michael Coles ist erneut mit von der Partie und William Franklyn (Quatermass II noch u.a) sind aber leider einfach nur zwei blasse 0815 Agenten, die keine eigenständige Leinwandpräsenz aufbauen können. Jessica Van Helsing (gespielt dieses mal von Joana Lumley, u.a auch aus The House That Dripped Blood) wird hier, im Gegensatz zum Vorgänger, nun auch auf eine völlig unwichtige Figur degradiert, die nur dazu taugt, von Dracula bedroht zu werden.
Fazit:
Ein schnelleres Fazit, dieses mal. Dracula braucht frisches Blut kommt nun endlich mal mit völlig neuen Ansätzen, die aber aufgrund der Inszenierung einfach nicht gut genug realisiert werden konnten. Aber trotzdem ist es ein netter Hammer-Film geworden, eben weil Lee und Cushing so eine tolle Präsenz haben, und wegen ihnen funktioniert der Film doch noch – nette Unterhaltung, wenngleich mit ein paar Abstrichen. Leider war dies auch das Ende der klassischen Ära: Lee wendete Dracula dem Rücken zu, im nächsten und endgültig letzten Teil versuchte es das Studio nochmal mit der Kombo „Dracula und Kung-Fu“, diesmal aber nur mit Peter Cushing. Alles musste ja irgendwann ein Ende haben... als Hammer-Dracula der etwas anderen Art macht man aber sicher nicht falsches, wenn man sich Dracula braucht frisches Blut mal zu Gemüte führt – alleine schon, weil es das letzte Aufeinandertreffen von Lee und Cushing unter diesem so einzigartigen Banner ist...
6,5/10 Punkten.