Vorwort:

Horror-Anthologien erfreuen sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit und so ist es kein Wunder, dass es nicht nur zahlreiche Vertreter in Literatur gibt, sondern auch im fantastischen Film. Früher entstammten diese zumeist britischen Landen, vornehmlich aus dem Hause Amicus, die mit den Horrorstars Peter Cushing und Christopher Lee, eigentlich ja Hammer-Stammcast, zahlreiche Filme produzierten, die mehrere kleinere Horror-Episoden beinhalteten: Darunter etwa schöne Machwerke wie DIE TOTENKARTEN DES DR. SCHRECK (1964), DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO (1967), GESCHICHTEN AUS DER GRUFT (1972), oder ASYLUM – IRRGARTEN DES SCHRECKENS (1972). Zwischen 1965 und 1974 produzierte Amicus ganze 7 Horror-Anthologien, und nachdem der klassische Horrorfilmstoff á la Hammer Anfang der 70er Jahre auch immer weniger Erfolge verbuchen konnten, waren es fast ausschließlich Filme dieser Art. In der zweiten Hälfte ebenjenes Jahrzehnt´s schwächte dieser Fluss an Horror-Anthologien dann ab, bis der CREEPSHOW (1982) nach einer Vorlage des Altmeisters Stephen King unter der Regie von George A. Romero ein großer Erfolg wurde. Der Film hatte nicht nur zwei weitere Nachfolger zur Folge, sondern einige weitere Anthologien wie etwa ALPTRÄUME (1983), sondern auch, etwas später, einen Film mit dem absonderlichen deutschen Titel DIE ZUNGE DES TODES (1986). Der englische Titel ist wie fast immer sinniger und macht mit dem Namen DEADTIME STORIES auch schon klar, wohin es geht: Gruselige Gutenachtgeschichten.

Inhalt:

Wer kannte es als Kind nicht – man liegt wach im Bett, es ist dunkel, man soll längst schon schlafen, kann es aber irgendwie nicht und zu allem Überfluss fürchtet man sich auch noch vor Monstern, im Wandschrank oder unter dem Bett. Genau das ist auch bei dem kleinen Brian der Fall, und so muss sein genervter Onkel Mike zur Hilfe eilen, um den Bub mit ein paar netten Geschichtchen zum Einschlafen zu bringen. Doch bitte nicht diese langweiligen Märchen, die Mutter erzählt, sondern etwas Besseres, Spannenderes! Und so schüttelt sich der Onkel seine ganz eigenen Versionen von Märchen aus dem Arm...

Nachdem die „Rahmenhandlung“ nun gegeben ist, gibt’s die erste Geschichte zu sehen, die da heißt „Peter and the Witches“, in der es um zwei alte Hexen geht, die den armen Peter als Junge für alles für sich arbeiten lassen –Zum Beispiel einen Priester zu ihnen zu locken, unter dem Vorwand, es gebe im Wald schöne Frauen für diesen. Oder etwa den Sarg der verstorbenen Schwester der Hexen ausgraben und mit einer Karre transportieren. Diese soll nämlich durch ein Ritual wiedererweckt werden.

Die zweite Story, „Little Red Riding Hood“ ist eine moderne Abwandlung von „Rotkäppchen“, die das Szenario des hilflosen Mädchens, nun eine junge Frau, in die damalige Gegenwart wirft, wo sie mit einem garstigen Werwolf konfrontiert wird. Dieser ist ein bekannter Drogendealer und als er und Rotkäppchen, die nur Medizin für ihre Großmutter holen will, in der Apotheke zusammentreffen, kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung.

Die dritte Geschichte „Goldilocks“ ist eine sehr eigenwillige Darstellung von Goldlöckchen und die drei Bären, wobei erstere hier nun eine Serienmörderin mit magischen Kräften ist. Die drei Bären sind nicht besser, denn dieser Part wird von der verrückten Familie der Bears übernommen, deren männliche Mitglieder (Vater & Sohn) zu Anfang aus der geschlossenen Irrenanstalt für hoffnungslose Fälle mit Leichtigkeit ausbrechen. Zusammen mit Mutter Bär flüchten sie in ein altes Haus, das zufällig gerade auch von dem irren Goldlöckchen bewohnt wird (und dieses als Leichenlager nutzt).

Besprechung:

Wie bei vielen Horror-Anthologien schwankt die Qualität und der Stil der Kurzgeschichten.  Auch das ist bei DEADTIME STORIES der Fall, auch wenn es hier eher die Art der Präsentation betrifft. Die Rahmenhandlung ist dabei nicht weiter wichtig und auch ohne großes Spektakel inszeniert, erfüllt aber den Zweck, die Kurzgeschichten zu verbinden.

Zu erwähnen ist am Anfang auch das schön gestaltete Intro, das zeigt, wie eine immer monströser werdende Hand alte, illustrierte Buchseiten umblättert. Unterlegt wurde das von einem Rock-Song und macht durchaus ein nettes Intro.

Die erste Geschichte „Peter and the Witches“ erweist sich dabei als durchaus atmosphärisch gestaltete, kurzweilige und sympathische Horror-Episode, die ursprünglich sogar als eigenständiger Langfilm angedacht war. Er bietet mit den beiden alten Hexen, die dauernd streiten und ihrem Tagewerk mit einer gewissen Leichtigkeit nachgehen, nicht nur etwas Charme und Witz, sondern auch durchaus ein paar schöne und gelungene handgemachte Effekte, etwa, wenn in der Ritual-Szene ein Skelett wieder zum Leben erwacht und das Fleisch zurück auf die blanken Knochen kommt. An und für sich nimmt sich diese Episode ernst, auch wenn das Ende von Onkel Mike durch ein etwas Witzigeres revidiert wird – man kann sich das „schönere“ eben aussuchen.

Die zweite Geschichte ist weniger atmosphärisch und eigentlich auch eine 08/15 Werwolf-Geschichte, die aber auch wieder mit einigen schönen Effekten und Masken auffahren kann. Die Schnitte und Kameraeinstellungen kaschieren in der obligatorischen Verwandlungsszene zwar, dass wohl nicht allzu viel Budget zur Verfügung stand, aber wenn der Wolf in Aktion tritt, sieht das für einen Low-Budget Horrorfilm aus den 80er Jahren durchaus akzeptabel aus (und ein Teil des Films wurde auf dem Grundstück des Regisseurs Jeffrey Delmann gedreht). Ansonsten ist auch die Schluss-Pointe, die direkt das berühmte Märchen zitiert, noch ganz nett gelungen.

Die letzte Geschichte dreht den Trash-Faktor dann aber endgültig auf und eskaliert in Sachen Absurdität dann vollkommen: Es beginnt schon damit, dass Sohn- und Vaterbär aus der „geschlossenen“ Anstalt, die eigentlich als offene Anstalt beschrieben werden sollte, mit Leichtigkeit ausbrechen können und den Polizisten zudem mit dummen Witzen hinhalten. Es folgt eine schnelle Autofahrt, unterlegt mit dem bekloppten Lied „Looney Tune“, und das Ganze wirkt schon fast wie in einem Cartoon – Leute werden angefahren, die Polizisten verhalten sich völlig inkompetent, und Goldlöckchens Gedankenkräfte sorgen für einige Slapstick-Einlagen, wenn sie etwa eine Nachrichtensendung durcheinanderbringt oder eine frische Leiche den anderen, ebenso toten Mitbewohnern in ihrer Bleibe vorstellt: Die Füße des Opfers schweben dann mit ihr durchs Bild und das Ganze bietet, insofern man mit solch einem stumpfen, überzogenen Humor etwas anfangen kann, durchaus den ein oder anderen wirklich witzigen Moment. Im Gegensatz zu den anderen Kurzfilmen in dieser Anthologie kann man diese letzte gar nicht erst ernstnehmen und die Macher haben es auch gar nicht versucht, hier noch etwas wirklich „Gutes“ auf die Beine zu stellen – und gerade deswegen ist der letzte Part dann doch irgendwie gelungen.

Schauspielerisch sollte man bei dem ganzen Murks natürlich nichts erwarten, obwohl man mit Melissa Leo sogar eine später profilierte Oscar-Preisträgerin vorweisen kann, die hier in einer ihrer frühen Rollen das weibliche Oberhaupt der Familie-Bär geben kann, viel zu tun hat sie mit der Rolle natürlich nicht. Einer der wenigen anderen aus dem Cast, welcher noch zahlreiche weitere Auftritte vorweisen kann, ist da Scott Valentin, der im ersten Part den Hexenknecht Peter in seiner zweiten Rolle mimt und später noch in unbekannteren Werken und Fernsehserien mitspielen durfte, darunter etwa FAMILIENBANDE. Ansonsten handelt es sich überwiegend um Schauspieler, die hier ihre erste und letzte Rolle übernahmen und sonst höchstens noch in wenigen Kurzfilmen auftraten. Ansonsten erinnert es etwas an das „Ed Wood“-Vorgehen, denn viele Akteure entstammen aus dem direkten Umfeld des Regisseurs Jeffrey Delman, etwa Michael Mesmer, der den Onkel spielt und dessen einzige Rolle in einem Spielfilm dieser auch bleiben sollte. Und die abgeranzte Bude, die als Versteck der Bärs fungieren durfte, stellte für den Regisseur, Melissa Leo und Kevin Hannon, der den eigenwilligen Papa-Bär zum Besten gibt, sogar die gemeinsame Wohnung dar. Leider brannte es später ab. Insgesamt kann man also sagen, dass der Film entweder Dilettanten oder noch unerfahrene Schauspieler vereinte, aber mehr brauchte es für einen solchen Film auch eben nicht: Wie gesagt, die letzte Story ist ohnehin nicht ernst zu nehmen und bei den ersten beiden reichen die vorhandenen Fähigkeiten aus, um mit der netten Atmosphäre und den schönen Effekten einen annehmbaren Low-Budget Horrorstreifen zu kreieren. Für Delman war es ohnehin die erste Regiearbeit, zuvor war er als Crew-Mitglied aber sogar bei FREITAG, DER 13. – JASON KEHRT ZURÜCK beschäftigt. Viel kam danach aber auch nicht mehr, bis auf ein paar zweitklassige Drehbücher und Fernsehepisoden. Ein kleines Cameo ließ er sich hier aber nicht nehmen, und zwar als ein Gehängter, der in der ersten Episode am Eingangstor des Friedhofs hängt.

Der Film spielte Anno dazumal, im Verhältnis, satte 2,7 Millionen Dollar im Kino ein, im folgenden Jahr, 1987, wurde er auf VHS vertrieben. Heute gibt’s eine Blu-Ray vom US-amerikanischen Label Shout! Factory. Hierzulande liegt neben dem inzwischen obligatorischen Mediabook auch eine schöne große Hartbox von 84 Entertainment vor. Letztere hat allerdings ein eher mangelhaftes Bild, welches sehr grobkörnig daherkommt und direkt wie von einer alten VHS aussieht.

Fazit:

Insgesamt ist das ganze eigentlich ein typischer B-Horrorschund, wie es ihn zu dieser Zeit zuhauf gab. Alte Märchen in die Gegenwart zu katapultieren (gerade bei der letzten Geschichte) und sie etwas makabrer zu gestalten, ist aber eine ganz nette Idee. Vom Handwerk her ist das natürlich nichts Gutes, aber er zeugt auch nicht von völliger Inkompetenz, zumal es einige nette Effekte zu bewundern gibt. Über Humor lässt sich bekanntermaßen Streiten, mich überraschte die letzte Geschichte mit ihrem völligen Blödel-Humor aber, und ich fand diese echt lustig (dürfte aber wohl nicht vielen so gehen). Wenn man etwas tolerant dabei ist und kein Spektakel erwartet, ist DIE ZUNGE DES TODES eigentlich eine akzeptable Wahl.