Original-/Alternativtitel: The Leech Woman
Jahr: 1960
Regisseur: Edward Dein
Schauspieler: Coleen Gray (June/Terry Talbot), Philip Terry (Dr. Paul Talbot), Grant Williams (Neil Foster), Johan van Dreelen (David Garvay)
Vorwort:
Zu Weihnachten haben uns die allseits geschätzten Freunde von Anolis Entertainment noch ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Wer diese Seite oder den Kanal etwas länger verfolgt, der weiß: 50er Jahre Monster- und Science-Fiction-Filme ist eines meiner absoluten Lieblingsthemen und ich versuche, alles aus diesem Bereich zu sichten. Ein Geschenk der Filmgötter ist da für den Fan die wunderbare, wundervolle, einfach nur mega-grandiose „Die Galerie des Grauens“-Reihe, die inzwischen vier Boxen 40 Filmen umfasst. Die ich übrigens auch alle besitze, was wahrlich kein billiges Unterfangen war (die Preise vollständiger Boxen fängt bei 500 Euro an und geht bei der ersten Box wohl wirklich in Richtung 1000 Euro... ich müsste schätzen, aber alle vier Boxen in gutem Zustand sind ein kleines Vermögen wert...).
Jedenfalls ist da alles drin, was der Fan althergebrachter Phantastik wünscht. Umso schöner ist es für mich, dass Anolis in der neuen und nunmehr fünften Box diesmal wieder einen Streifen bringt, den es A) vorher in Deutschland nicht gab und den ich B) auch noch nicht gesehen habe. Die Rede ist von Universals The Leech Woman von 1960, der aber im Grunde noch voll und ganz den Geist der 50er-Jahre atmet. Unter dem wirklich fantastischen Titel „Der Fluch der Urwaldhexe“ bekam der Film eine Neusynchro unter Bodo Traber spendiert und erstrahlt in neuem Glanze.
Am 13. Dezember war die Auslieferung (der Film war da selbstverständlich schon vorbestellt), heute kam er bei mir an und wanderte gleich in den Player. Wer zuerst kommt malt zuerst, sage ich ja, und deswegen gibt’s hier schon die Review.
Inhalt:
Dr. Paul Talbot ist fest davon überzeugt, irgendwann einen Weg zu finden, den Alterungsprozess aufzuhalten oder gar zu stoppen. Dazu hat er eine Annonce geschaltet, und bitten alte Leute, in seine Praxis zu kommen, um Untersuchungen durchzuführen. Doch dieses Mal kommt eine uralt-wirkende Frau Namens Malla. Sie offenbart Pauls Frau, der alkohol- und liebeskranken June, die sehr schlecht von ihm behandelt wird, dass sie in ihren „Blutträumen“ gesehen habe, dass ihr Mann bald sterben werde.
In der Praxis lüftet sie das Geheimnis: Sie wurde vor 140 Jahren von Sklavenhändlern aus Afrika in den Westen verschleppt, will nun aber zurück in ihre Heimat. Mit dabei hat sie ein mysteriöses Pulver, dass Beweisen soll, dass ihr Stamm in Afrika dazu in der Lage ist, das Altern zu stoppen, oder aber mindestens beträchtlich zu verlangsamen. Und tatsächlich: Dr. Talbots Untersuchungen zeigen, dass sie viel älter ist, als normale Menschen, und dass ihr Pulver die Wirkung zeigt, die sie verspricht. Dr. Talbot bezahlt ihr den Flug in ihre Heimat und bläst kurzerhand die geplante Scheidung mit June ab. Die beiden fliegen nach Afrika und beauftragen den Guide David damit, sie in das sagenumwobene Gebiet des Stammes zu führen. Dort werden sie allerdings von dem Stamm festgehalten und Malla, inzwischen auch wieder dort, offenbart das Geheimnis. Jede sterbende Frau des Stammes nimmt das Pulver ein, um für den letzten Tag wieder jung sein zu. Neben dem Pulver muss jedoch auch Saft des Kleinhirns beigemischt werden. Malla bietet June ab, den Trank selber einzunehmen, sie müsse nur ein Opfer auswählen – und sie wählt ihren Mann! Tatsächlich wirkt der Trank, und zusammen mit Bertram kann June aus dem Dorf fliehen. Da sie am nächsten Tag jedoch wieder altert, und diesmal umso schneller, tötet sie Bertram ebenfalls, um den Trank erneut zu bekommen. Zurück in den USA gibt sie sich dann als ihre Nichte Terry aus, macht sich an ihren Anwalt heran, und muss immer wieder töten, um jung zu bleiben und den Schein zu wahren...
Besprechung:
Ja, Der Fluch der Urwaldhexe ist ein interessanter, und, das kann ich gleich vorwegsagen, durchaus sehenswerter B-Film. Irgendwie steht er an der Grenze, an der Schwelle zu der Zeit, an dem die goldenen Jahre seines Genres zu Ende gingen. Mit Ende der 50er starb auch Universals phantastische Filmriege – das Studio hatte keinen großen Stars mehr im Genre und produzierten in den nächsten Jahren sowieso nichts mehr in diesem Bereich, woran sich die Filmgeschichte weitestgehend erinnern würde. Hatte man im vorigen Jahrzehnt durch Jack Arnold noch große Filmklassiker und Meisterwerke wie Der Schrecken vom Amazonas, Tarantula oder Die unglaubliche Geschichte des Mr. C gemacht, oder kleinere B-Guilty-Pleasures (zumindest sehe ich das so) á la The Mole People oder Flug zur Hölle, so endete die klassische Science-Fiction des Studios ein paar Jahre danach. Das Genre war immer mehr Sache der absoluten B-Studios und nachdem sich selbst nicht mehr AIP damit auseinandersetzen wollte, da man (und alle anderen auch) auf den Gothic-Hype aufsprang, brachten die 60er keine Science-Fiction Klassiker von ähnlichem Kaliber mehr hervor. Das haben wir schon in den Kritiken zu The Hand of Death oder Monstrosity gesehen. Genau hier steht Der Fluch der Urwaldhexe also, und er ist selber ja auch kein großer Klassiker und ging ziemlich unter in dieser Zeit, in denen nunmehr waschechter Horror in den Lichtspielhäusern gefragt war.
Gleichzeitig ließ sich Universal freilich aber auch nicht lumpen bei der ganzen Geschichte, die, im Übrigen, beliebte Tropes des klassischen Drive-In Kinos bedient: Voodoo und die alte Leier von der Frau, die ihre Schönheit unbedingt behalten bzw. wiederherstellen möchten. Diese Story (bzw. überhaupt die über das Ziel, jung zu bleiben), sah man schon bei Hammer in Den Tod überlistet im Jahr zuvor, und auch Roger Corman bediente das in seinem Die Wespenfrau (ebenfalls 1959), der 1988 nicht nur mit Rejuvenatrix praktisch ein Remake bekam, sondern auch von Jim Wynorski persönlich 1995 (im Auftrag von Mr. Corman selbst). Diese Art von Geschichte funktioniert ja eigentlich immer.
Und was auch immer funktioniert, dass ist Voodoo. Ich hatte es schon in der Kritik zur Bel-Air Schlaftablette Voodoo-Island gesagt: Wer als Produzent mit wenig Geld und wenig Kreativität billige Schauwerte haben wollte, der griff zu dieser Thematik. Schließlich boten tanzende Ureinwohner, Dschungelaufnahmen und Stock-Footage von wilden Tieren zumindest dem typischen Kinogänger damals ein bisschen Exotik. Was gab’s da in den 50er Jahren neben Voodoo Island noch? Serpent Island von 1954 zum Beispiel, des Bert I. Gordons ultrabilliges Debut als Kameramann. Golden Mistress zum Beispiel, ein Karibikabenteuer mit Voodoo-Thema (zumindest laut Inhaltsangabe), mit dabei ist John Agar – der kam sogar als Rache auf Haiti hier in die Kinos. Das wäre doch vielleicht auch mal was für die Galerie?
Ansonsten fällt mit noch Voodoo Woman (1957) oder Woodoo – Blutrausch des Dschungels (so laut IMDB der deutsche Titel von The Disembodied von 1957. Falls der in Deutschland mal rauskam, wäre der ja ebenfalls was für die Galerie!) ein. Und Bela Lugosi beschäftigte sich mit der Thematik ja schon in der Poverty Row in Voodoo Man, aber soweit wollen wir das Ganze hier ja auch gar nicht ausweiten. Zwar ist Die Urwaldhexe nun per se kein Voodoo-Film, bzw. wird Voodoo nicht namentlich erwähnt, aber im Grunde geht’s bei allen diesen Filmen ja um Flüche/Zaubereien von Urwaldvölkern.
So viel dazu, und nun kommen wir zum heutigen Untersuchungsgegenstand. Insgesamt vermengt das Skript diese beiden Versatzstücke irgendwie, und es kommt am Ende dennoch ein überraschend spannendes Endergebnis bei rum, das sich irgendwie nun doch aus der Masse an Drive-In-Schlock abheben kann. Ich könnte es selbst nicht Mal wirklich festmachen, denn im Grunde sind alle Versatzstücke, die sich hier finden lassen, generische Einheiten, die, letztendlich gesehen, aber doch mehr sind als die Summe ihrer Teile. Das liegt aber auch daran, dass kein typischer Stümper an der Schreibmaschine saß, denn das Skript wurde von David Duncan verfasst. Der schrieb bei AIP schon The Thing That Could’nt (kommt auch bald in der Galerie, ich freu’ mich!), bei Universal noch Arnolds Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde aka Der Schrecken schleicht durch die Nacht und mit The Black Scorpion noch einen ganz großartigen Big-Bug Film der 50er, den ich hier schon reviewt habe. Dann trug er noch zu Pals letztem Triumph Die Zeitmaschine bei und 1966 schrieb er dann noch Fantastic Voyage – womit ich widerrufen muss, ok, die 60er haben doch auch größere Sci-Fi Filme hervorgebracht (auch wenn ich Fantastic Voyage nur mittelmäßig finde, aber gut).
Es ist also jemand am Werk, der entweder also durchaus gutes Zeug zu Papier bringen konnte, oder aber die Genreklischees zu etwas immerhin sehr unterhaltsames formen konnte (am besten sieht man das im Falle von The Black Scorpion). Im Grunde teilt sich der Streifen nun in zwei Hälften: Die erste ist im Dschungel, die zweite spielt in den guten alten US of A. Überhaupt sorgt das Dschungel-Setting für Abwechslung, genauso wie die Charaktere. Zwar erfahren wir nichts über die Vergangenheit Paul und June, und wieso ihre Ehe so kaputt ist, aber diese dramatischere Beziehung ist zumindest interessanter als das x-beliebige romantische Leinwandpaar, wo der Mann die Frau am Ende retten muss. Etwas doof ist vielleicht auch, dass es im Grunde keinen Sympathieträger im Film gibt. Dr. Talbot ist ein rücksichtsloser, emotionsloser Doktor, der alles tun würde, um sein Ziel zu erreichen. Neil Forster, der Anwalt, betrügt seine Frau Mal eben so für die verjüngte June und June selber, naja. Das ist hoffentlich kein großer Spoiler, wenn ich sage, dass auch sie für ihre Verjüngung im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht und gehen will. Eigentlich bliebe da nur noch der Dschungelführer David, der aber am Ende keinerlei Rolle mehr spielt. Es gibt für den Zuschauer im Endeffekt keinen, mit dem man wirklich mitfiebern könnte. Höchstens bis zur Hälfte mit June, doch die zeigt danach ja auch ihr „wahres Gesicht“.
Schön geschrieben ist aber die Legende des Ureinwohnerstammes. Das könnte so wirklich wieder aus einem Gespenster-Geschichten-Comic kommen. Das hat was pulpiges, triviales, wie aus diesen alten billig Comic-Heftchen, und sowas mag ich ja sehr gerne. Es ist freilich keine Story, die Bäume ausreißt, sie tut, wozu sie erdacht wurde: Den Zuschauer für 80 Minuten unterhalten. Und sie ist in sich stimmig und logisch, und das Verjüngungsmittel der Ureinwohner verpasst dem Ganzen noch einen mysteriösen Grundton. Und was die Ureinwohner selbst angeht: Einige Kommentare werfen dem Film (anders kann es heute ja gar nicht mehr sein) „Kolonialismus“ (u.a bei Letterboxd) vor. Auf der einen Seite ist der Film seltsam „modern“ diesbezüglich, ohne sich selber dessen bewusst zu sein, vermutlich. Die Ureinwohner sind nicht die Bösen, sie tun nichts „Schlimmes“ per se. Das alles so tragisch verläuft ist die Schuld der dummen „Weißen“, die in ihr Gebiet eindringen und ihr Geheimnis rücksichtlos entreißen wollen, und Malla erwähnt ja auch, dass sie in die Sklaverei verkauft wurde, was für damalige Filme ja auch nicht alltäglich war, dass sowas erwähnt wurde. Auch die Frauenrollen sind hier nicht dazu degradiert, untätig rumzustehen – auf der anderen Seite will jede Frauenfigur nur, dass die Männer sie wieder schön finden und gehen sich schließlich auch deswegen an die Gurgel.
Inhaltlich also ist die Urwaldhexe nicht unbedingt eine weitreichende Überraschung, aber etwas, was, wie gesagt, für einen B-Film dieser Jahre mehr als in Ordnung geht. Auch optisch ist der Film solide gearbeitete. Ich liebe solche fake Studio-Dschungel ja, das hat etwas ganz Eigenes. Der Dschungel hier sieht für seine Verhältnisse auch richtig authentisch aus und versprüht eine feine exotische, mysteriöse Atmosphäre, hinzu kommen die obligatorischen Tieraufnahmen. Das ist ja schön und gut, aber optimal sind diese nicht in das sonstige Material eingefügt, weil sie einfach nicht von derselben optischen Qualität sind, aber das wäre meckern auf hohem Niveau. Auch was das Ureinwohner-Dorf angeht öffnete Universal zwar nicht die große Geldbörse, ließ aber genug springen, um es ansprechend zu gestalten. Die „Ritual-Hütte“ mit den Plastiktotenschädeln, dem Rausch und dem Thron sieht genau richtig aus. Die Sets in den USA lassen hingegen etwas nach, sind weniger interessant, da sind’s halt einfach irgendwelche Wohnhäuser.
Regisseur ist Edward Dein, der ansonsten nicht gerade größere Aufmerksamkeit auf sich zog. Der einzige Titel von Belang (zumindest für mich) aus seiner Filmographie ist noch der Horror-Western Curse of the Undead aus dem Hause AIP, den ich mir allerdings noch nicht zu Gemüte geführt habe. Insgesamt filmt er dann zumindest im Dschungel ansprechend, wenngleich ohne irgendwelche großen Künste. So wirkliche „Horror“-Höhepunkte gelingen ihm nicht.
Dann wäre da noch der Cast, der durchaus überzeugen kann. In der „Doppelrolle“, wenn man so will, überzeugt vor allem Coleen Gray (gab sich neben einigen Nebenrollen in größeren Produktionen Ende der 40er u.a in The Phantom Planet und dann in Immer bei Anbruch der Nacht die Ehre) als June/Terry, die beide Figuren, also einmal das alkoholische Wrack (mit passender Schminke), sowie die wieder selbstbewusste junge Frau gibt, sowie auch den Weg dazwischen. Als ihr fieser Ehemann ist Philip Terry ebenfalls überzeugend, ansonsten absolvierte Gloria Talbot, die wir schon aus Bertls The Cyclops und Ulmers Daughter of Dr. Jekyll kennen, die eher kleinere Nebenrolle der neidischen Sally. Auch Grant Williams sieht man freilich gerne, tingelte er bei Universal doch durch die Klassiker Die unglaubliche Geschichte des Mr. C und gibt den Leading-Man in einem meiner Lieblingsfilme des Jahrzehnts Das Geheimnis des steinernen Monsters – obwohl er hier ja irgendwie der „Gute“ sein soll, klappt das deswegen nicht, weil er, wie schön erwähnt, sofort von June eingewickelt wird und praktisch direkt dazu bereit ist, für sie seine Verlobung aufzugeben.
Besonders gelungen finde ich aber auch noch die Performance der alten Ureinwohnerfrau Malla, dargestellt von Estelle Hemsley, die die Melancholie und Schwere ihres Charakters gut einfängt. Besonders hilfreich ist über alle dem auch das gelungene Make-Up von Bud Westmore, der nach Jack Pierce die bekanntesten Monster-Masken des Studios entwarf, so etwa zumindest einen Teil des Gill-Mans aus Der Schrecken vom Amazonas (wer dort welchen Anteil an der Entstehung hatte, ist nie so ganz klar geworden). Er lässt sowohl Malla wirklich alt aussehen, als später auch June und auch wenn man den Alterungsprozess selber nicht On-Screen sieht (es gibt Schnitte und Raucheffekte), hat das seine Wirkung.
Anolis präsentiert den Film in wunderbarer optischer Qualität und auch die Retro-Synchro von Bodo Traber ist perfekt wie eh und je. Ein rundes Gesamtpaket also, für das ich immerzu bereit bin, das verlangte Geld zu zahlen (und damit ist es neben Wicked-Vision eigentlich das einzige deutsche Label, welchem ich wirklich blind vertraue). Gelobt sei die Galerie.
Edit: Die Screenshots sind allerdings nicht von der Anolis-Blu-Ray.
Fazit:
Insgesamt ist Der Fluch der Urwaldhexe also eine sichere Angelegenheit für B-Fans geworden. Es ist eine hübsche Mischung aus altbekanntem, mit netten Effekten und einer guten Story, mit der sich 80 Minuten unterhaltsam rumkriegen lassen. Kein Überflieger, aber auch mehr als solide.
6,5/10 Punkten (mit Hang zur 7).