Originaltitel: Murders in the Rue Morgue
Jahr: 1932
Regisseur: Robert Florey
Schauspieler: Bela Lugosi (Dr. Mirakel), Leon Ames (Pierre Dupin), Sidney Fox (Camille), Bert Roach (Paul), D’Arcy Corrigan (Bestatter)
Vorwort:
Nach den vielen weniger unterhaltsamen Sichtungen der letzten Zeit wollte ich mir mal wieder etwas „gutes“ (geht das auf so einer Seite wie hier überhaupt) zu Gemüte führen und ging durch meine Filmsammlung, wo ich wieder einmal bei der von mir durchaus geschätzten Classic Chiller Collection hängen blieb. Genauer gesagt bei der Edition zum 1932er Universal-Horror MORD IN DER RUE MORGUE. Letztendlich hielt ich diesen auch für einen geeigneten Kandidaten für eine weitere Besprechung, denn dies gibt mir Gelegenheit, mal ein weiteres Lieblings-Thema aufzugreifen. Die 50er Jahre hatten wir in der Besprechung zu DER MANN VON PLANET X (auch erschienen in der Chiller-Reihe), billige Monsterfilme hatte ich schon mit Filmen wie THE BEING und den Bigfoot-Titeln, und Troma-Splatter mit RABID GRANNIES.
Also Zeit wird’s, dass ich mich mal den Anfängen widme – und klar, MORD IN DER RUE MORGUE ist da nicht der bekannteste (oder beliebteste/einflussreichste Kandidat aus der Universal-Riege), aber für mich dennoch ein Muss, nenne ich mich doch einen großen Fan von Bela Lugosi! Angefangen von seiner klassischen Darbietung des Vampir-Grafen in DRACULA, über die anderen Edgar-Allen Poe Verfilmungen in den darauffolgenden Jahren, über seine Poverty-Row Phase in den 40ern, bis zu seinem (traurigen) Ende in den Ed Wood Werken. Für mich bot er aber immer sehenswerte Leistungen, und wenn er in einem Film auftritt, ist das für mich schon ein Grund, den Film auf die Merkliste zu setzen.
Also dann, hinein in die Rue Morgue...
Inhalt:
Schon das Intro zeigt in großen Lettern, dass der Titel auf Edgar Allen Poe basiert (wer’s glaubt). Nachdem die Credits verschwunden sind, sehen wir ein Schiff auf einem Fluss und die Einblendung, dass wir uns im Paris des Jahres 1845 befinden. Danach geht’s auf einem brechend vollen Rummelplatz weiter, wo sich gerade das Paar Camille und Pierre mit Freund Lukas vergnügt. Orientalische Bauchtänzerinnen werden angepriesen, ebenso wie eine Indianershow von Cornel Haha (wenn ich den Namen richtig verstanden habe), die „blutrünstige Wilde“ zeigt, die „ihre Oper skalpieren“ (politisch Korrekt geht wahrlich anders). Danach sehen wir aber schon ein großes Transparent von einem Affen und die Attraktion wird von einem Mann lautstark als „das seltsamste Wesen, das ihre Augen je gesehen haben“ angepriesen. Natürlich betreten die drei Freunde das mysteriöse Zelt – am Eingang werden sie von Dr. Mirakel ihren Plätzen zu gewiesen, der danach auch schon vorne auf der kleinen Bühne erscheint und das Publikum zur Ruhe ermahnt. Er beteuert „kein üblicher Kirmes-Scharlatan“ zu sein, er zeige „keine Missgeburt, kein Wunder der Natur“ sondern einen Meilenstein der Wissenschaft – einen Affenmenschen, von dem die Gäste natürlich schockiert sind. Doch nicht nur das: Dr. Mirakel sieht sich in der Lage, mit dem Affen zu kommunizieren, spricht mit ihm in einer Art Kauderwelsch und übersetzt sinngemäß die Geschichte von seinem Erik, der einst in Afrika entführt wurde.
Danach fährt die Kamera nah an sein Gesicht und Dr. Mirakel hält einen Monolog über die Evolution, an deren Ende der Mensch steht. Ketzerei, kommt es direkt aus dem Publikum, doch damit nicht genug: Sein Ziel sei es, die Blutsverwandtschaft zwischen dem Affen und dem Menschen nachzuweisen, indem er das Blut beider vermengt. Dazu sucht er einen Freiwilligen und natürlich gehen Camille, Pierre und Lukas nach vorne. Das Ganze geht selbstredend nicht gut, denn der Affe wird handgreiflich und zerreißt den Hut von Madame. Dr. Mirakel zeigt sich untröstlich und besteht darauf, diesen zu ersetzen. Er brauche nur die Adresse und ihren Namen, um einen neuen Hut zu entsenden. Doch das Paar geht darauf nicht ein und macht sich von dannen. Dr. Mirakel hat nun in Camille aber das perfekte Versuchsobjekt gefunden und befiehlt seinem Diener Janosch, sie zu verfolgen...
Besprechung:
Und so kann man schon in der ersten Viertelstunde (von gerade mal 60) sofort erkennen, dass der Film perfekt auf seinen Protagonisten zugeschnitten ist – Ein Mad-Scientist, ein Affenwesen, seltsame Thesen und Experimente.
Basieren tut das Ganze (natürlich) wieder mal auf einer Erzählung von Edgar Allen Poe, dem Urmeister der Schauergeschichten, der seit Anbeginn des Kinos als großer Name von diversen Studios und Filmemachern verwendet wurde, um den Zuschauern vorzugaukeln, sie würden große klassische Geschichten erleben – Wie bei 95% der „Poe-Verfilmungen“ besitzt MORD IN DER RUE MORGUE aber bis die Grundprämisse, dass ein Affe Morde begeht, keinerlei Gemeinsamkeiten mit der ursprünglichen Story namens „Doppelmord in der Rue Morgue“ – wie bei der späteren Universal-Produktion DER RABE (ebenfalls mit Lugosi) von 1935 wird in die Geschichte ein verrückter Wissenschaftler integriert, der die Unglücke zu verantworten hat.
Auch handelt es sich nicht um einen Klassiker wie die Poe-Verfilmung DIE SCHWARZE KATZE von 1934, oder die Meilensteine FRANKENSTEIN oder DRACULA: Ohnehin hatte Lugosi ja nur mit besagtem Dracula einen wirklichen Höhepunkt bei dem Studio, das ihn auch zuerst gar nicht für die Adaption in der Rolle hatte sehen wollen. Schon im Folgejahr präsentiert sich MORD IN DER RUE MORGUE so als absoluter B-Film, und nicht nur seine Laufzeit wurde von 80 Minuten auf knapp 60 verkürzt, sondern auch das Budget. Dieses wurde von 130.000 Dollar auf 90.000 herabgesetzt, der Film floppte und Lugosis Vertrag wurde nicht verlängert. Es handelt sich also doch um einen der weniger qualitativ-wertvollen Produkte des Studios.
Aber genug von dem negativen Gerede – der Film mag kein Weitwurf sein, aber bietet für den Fan doch genug, um ihn zufriedenzustellen. Handlungstechnisch bewegen wir uns natürlich in bekannten Mustern, die heutzutage niemanden mehr auch nur ansatzweise überraschen dürften: Bela Lugosi gibt den Mad-Scientist, Camille die Frau in Nöten, Pierre den jungen Helden und Lukas den Comic-Relief (eine meiner Meinung nach nervige Figur, die Universal aber leider in einige Filme einbaute, auch in FRANKENSTEINS BRAUT). Drehbuchschreiber Tom Reed war sicherlich nicht der klassische Universal-Drehbuchautor (im phantastischen Bereich wirkte er eben nur hier und zum Teil an FRANKENSTEINS BRAUT mit), und es mag auch daran liegen, dass knapp 20 Minuten weggeschnitten wurden, aber leider entpuppen sich die 60 Minuten am Ende als nicht zufriedenstellend. Auf der einen Seite haben wir nervige Füllszenen mit unnötigen, romantisch-pathetischen Dialogen zwischen Pierre und Camille (Z.b, er auf dem Balkon über ihr Aussehen schwärmt) oder einfach nervige Szenen mit dem Comic-Relief Lukas. Diesen Charakter hätte man auch ohne Probleme rausstreichen können, denn bis auf doof glotzen und ein paar Floskel reißen tut er im Plot gar nichts zur Sache und taucht im Finale auch nicht auf.
Ganz logisch geht’s darüber hinaus auch nicht immer zu: am Ende läuft es natprlich darauf hinaus, dass der Affenmensch Camille entführt. Diese schreit wie am Spieß und nachdem die Hausbewohner mit Pierre und der Polizei das leere Zimmer stürmen, wird erstmal Pierre verdächtigt, der Mörder zu sein (obwohl er dabei war, wie das Zimmer gestürmt wurde!). Dem folgt eine längere Szene, in der die Hausbewohner darüber diskutieren, welche Sprache hinter der Tür gesprochen wurde. Dieser „Witz“ mündet darin, dass ein Deutscher behauptet, es sei italienisch gewesen, ein Italiener, es sei Dänisch gewesen, und ein Däne, es sei deutsch gewesen. Dieses Füllmaterial ist einfach unnötiger Ballast, der weder den Plot voranbringt, noch Witzig ist, denn: natürlich will das Publikum doch den Mad-Scientist bei seinen Machenschaften beobachten!
Was das angeht, enttäuscht der Film so leider auch: Natürlich, Lugosi gibt wie immer eine klasse Performance, aber bedauerlicherweise bekommt er nicht die Screen-Time, die man sich in den 60 Minuten wünscht. Leider wird er auch nur oberflächig behandelt; weder erfährt man, was seine Vergangenheit ist, noch was genau er erreichen will. Klar, die Evolutionstheorie beweisen, bzw. die Verwandtschaft zwischen Affe und Mensch (anno 1840 selbstredend ein schwieriges Thema). Aber wie will er das denn nun bewerkstelligen? In dem er Menschenblut in Affen injiziert? Was soll das bringen? Und wieso erweist sich das Blut seiner vorigen Opfer (die er u.a von der Straße aufliest und später in die Seine wirft (erinnert mich wiederum an Lugosis Auftritt in DER WÜRGER von 1939)) als nicht brauchbar?
Aber vermutlich ist es sinnlos, Sinn in den Experimenten eines Mad-Scientist aus einem Film aus den 30ern zu grübeln (sind ja auch verrückte Wissenschaftler). Aber auch Pierres Aktionen sind halbgar in die Story integriert: in der Geschichte von Poe macht sich ein Detektiv daran, die Ereignisse zu klären, hier ist er lediglich ein Student, der Leichen aus dem Schauhaus gegen Bares mitnimmt um sie zu studieren – dabei zieht er dann schnell den Schluss zwischen den Todesfällen und Dr. Mirakel.
Abgesehen davon ist die Story bei 60 Minuten aber doch durchaus kurzweilig, hat keine großen Längen und langweilt nicht. Das man sich aber etwas mehr „Action“ wünschen darf, ist auch nicht von der Hand zu weisen.
Die Ausstattung ist dahingehend auch eher mittelprächtig ausgefallen. Die erste Szene auf dem Rummel ist sehr lebendig, Massen am Menschen und etliche Attraktionen lassen sich sehen. Danach wird es aber doch oft eher kahl – gerade das Labor von Dr. Mirakel ist eher simpel ausgestattet: bis auf einen Affenkäfig, eine Vorrichtung zum Fixieren von Opfern, und ein paar chemischen Behältern gibt’s nichts zu sehen. Ähnlich sieht’s im Leichenschauhaus aus. Die Szenerie auf der Straße und auf den Dächern ist im Gegensatz aber sehr gut gelungen und besitzt die typische Universal-Atmosphäre. Hinzu kommt das Spiel mit Licht und Schatten, wenn Dr. Mirakel im Halbdunklen spioniert – das erinnert unweigerlich an den deutschen Expressionismus, denn hinter der Kamera befindet sich wieder Karl Freund, der selbige Tätigkeit ja auch bei DIE MUMIE oder METROPOLIS inne hatte. Innerhalb von Gebäuden oder Zimmern bewegt sie sich zwar weniger, weil die Kulissen doch arg beschränkt sind, auf den Straßen und im Freien gibt’s aber einige schöne Kamerabewegungen. Nebel-Atmosphäre gibt es ausnahmsweise aber mal nicht oft, lediglich in einer Szene (und da gibt’s glatt so viel von den Schwaden, dass man nicht mehr so viel sieht). Etwas negativ fiel mir allerdings auch auf, dass es kaum Musik gibt, gerade im Finale hört man gar nix im Hintergrund.
Bei den Effekten muss man auch nicht allzu viele Worte verlieren, schließlich handelt es sich um einen, wie ich sie nenne, „Affenfilme“, wie sie besonders in den 40ern beliebt waren (Lugosi spielte ja auch 1943 in THE APE MAN). Der erste seiner Art war’s aber trotzdem nicht, denn dieser dürfte der verschollene Chaney Film A BLIND BARGAIN von 1922 sein (man möge mich korrigieren, sollte ich falsch liegen). Interessant ist aber, dass man sowohl mit Aufnahmen eines echten Affen, als auch mit dem Mann im Kostüm arbeitete. Diese werden gut kombiniert, sodass diese „Illusion“ mehr oder weniger stimmig rüberkommt. Etwas makaber ist es aber doch, wenn der Affenkostümierte die Hauswand hochkriecht oder über die Dächer klettert.
Schauspielerisch hat klar Lugosi die Hoheit – ich persönlich mag ihn auch mehr als Karloff, und hier spielt er, wie man es nur gerne haben kann: etwas theatralisch, mal weinerlich, mal pathetische Reden schwingend. Lugosi passt in derartige Rollen einfach perfekt und es wird wieder viel Wert auf seine Mimik gelegt, wenn die Kamera ganz nahe an ihn herangeht. Etwas absurd sieht seine Verkleidung aber schon aus – mit Monobraue, Locken und Zylinder sah man ihn nun nicht gerade oft.
Abseits davon bekommt man es aber nur mit generischen Figuren zutun – dementsprechend uninteressant sind die Leistungen der anderen Akteure. Leon Ames geht als junger Held Pierre in Ordnung, Sidney Fox als Damsel in Distress Camille nervte mich persönlich eher, was aber mehr an ihrer Figur, als an ihren Schauspielerischen Leistungen liegen mag. Mehr als Schreien, in Ohnmacht fallen und gut auszusehen muss sie aber eben auch nicht. Zu Bert Roach als Lukas habe ich ja schon alles gesagt, seine Figur ist absolut obsolet und bringt absolut gar nichts.
Mir liegt der Film wie gesagt als „Das Geheimnis des Dr. Mirakel“ in der Classic Chiller Collection von Ostalgica im Schuber vor – die Bildqualität der Blu-Ray ist ziemlich gut ausgefallen. Wie immer bietet Ostalgica das Ganze auch in einer neuen Synchronisation (von Bodo Traber), die ich mir aber nur knapp die erste Viertelstunde angehört habe – gerade bei Lugosi-Filmen schaue ich dann lieber im O-Ton mit Untertiteln. Als Bonus gibt es sogar noch den Streifen THE DEATH KISS, ebenfalls mit dem Ungar an Bord. Darüber hinaus kann man auch noch einem Audiokommentar lauschen,
Fazit:
Das hörte sich nun alles vermutlich deutlich negativer an, als es sich am Ende schaut. Klar, MORD IN DER RUE MORGUE ist sicherlich kein Universal-Highlight, und man hätte deutlich mehr daraus machen können – aber auch so ist er mit seinen 60 Minuten eine kurzweilige B-Unterhaltung für Fans altmodischer Grusler, gerade wegen Bela Lugosi.
6/10 Punkten.
Edit: Da dies eine "alte" Review ist, gibt sie es sie auch unter https://badmovies.de/reviews/mord-in-der-rue-morgue zu lesen.