Original-/Alternativtitel: /
Jahr: 1966
Regisseur: William Beaudine
Schauspieler: Dracula/Mr. Underhill (John Carradine), Billy the Kid (Chuck Courtney), Melinda Casey (Betty), Virginia Christine (Eva Oster)
Vorwort:
Ach ja, Horrorwestern. Auf sich alleingestellt haben die beiden Genres ja tausende Vertreter hervorgebracht, durch alle Güteklassen hinweg. Seltsam ist es doch da eigentlich, dass die Kombinationen zwischen diesen beiden Genres fast ausschließlich der Kategorie „Schund“ zuzuordnen sind. In den 50er Jahren wagte sich erstmals Corman mit The Undead (1959, nach meiner Kenntnis der erste „Horrorwestern“) daran, die beiden äußerst erfolgreichen Genres zu vermischen. Ansonsten tat sich aber nicht viel in diesem Bereich, zumindest in Hollywood (oder der Poverty-Row). Ed Woods Horror-Western The Ghoul Goes West wurde wegen dem viel zu frühen Ableben von Lugosi leider nie realisiert, und so taten sich vor allem die Mexikaner damit hervor, allerlei Gekröse in den Wilden Westen zu werfen (man betrachte nur El Charro de Las Calaveras) – bis Mitte der 60er ein spitzfindiger (oder eher geisteskranker) Produzent zwei Horrorwestern auf das Drive-In Publikum losließ. Einmal Jesse James Meets Frankensteins Daughter und Billy the Kid versus Dracula. Weiß der Geier, wieso mir heute deuchte, letzten zu betrachten…
Inhalt:
Irgendwo im Wilden Westen ist eine Kutsche unterwegs. Eine alte Dame, Mrs. Bentley, erzählt einem der Fahrgäste, einem seltsam wirkenden Mann, von ihrer Tochter Betty, die sie mit ihrem Bruder Underhill besuchen will. Sie ist noch jung (und sehr schön, beschwört sie). Die Familie sei durch eine Silbermine in der Nähe reich geworden, die inzwischen aber versiegt sei. Ihren Onkel habe sie ebenfalls noch nie getroffen, sodass dieser extra von der Ostküste herkam, um auf der familiären Farm zu helfen.
Als beim Rasten später eine Indianerin tot aufgefunden wird, greift ihr Stamm die Kutsche am nächsten Tag. Die Insassen werden getötet, bis auf den mysteriösen Fahrgast, mit dem Mrs. Bentley sich unterhielt. Dieser nimmt nun die Identität von Underhill an und reist in den Ort von Betty. Diese ist indessen mit Billy the Kid zusammen, der nun ein friedliches Leben will. Doch im Ort wird das österreichische Paar Eva und Franz Oster schnell misstrauisch gegenüber „Mr. Underhill“ – nachdem ihre Tochter plötzlich stirbt, sind sie überzeugt, dass Mr. Underhill der Vampir sein muss. Zusammen mit Billy the Kid müssen sie nun alles daransetzen, ihn aufzuhalten!
Besprechung:
Na, Billy the Kid versus Dracula ist ja mal etwas, was ich fast als „positive Überraschung“ klassifizieren möchte. Nicht, dass der Film wirklich gut wäre, Gott bewahre, aber ich hatte aufgrund der miserablen Bewertungen (bei Letterboxd etwa 2,2 von 5 Punkten) eine absolute Katastrophe erwartet. Sicherlich: Der Film ist nicht gut und kein Feuerwerk der guten Laune, aber auch weit davon entfernt, in meine Liste der ungenießbaren Güllestreifen aufgenommen zu werden.
Woran liegt das? Nun, an mehreren Faktoren, aber kommen wir doch erstmal zum Wichtigsten: Die Story. Naja, die ist eigentlich ziemlich wurscht bei Vampirfilmen, möchte ich meinen. Seit den 30er Jahren ist der Typus Vampir so sehr im kulturellen Gedächtnis verankert, dass Bram Stokers Klassiker der altehrwürdigen Schauerliteratur, wäre sie eben kein Klassiker, wie eine Fülle an Klischees wirkt. Jeder kennt Dracula und weiß, wie die typische Geschichte geht (würde ich jetzt jedenfalls mal so annehmen). Das erste Problem von Billy the Kid versus Dracula (wenn man nicht den gesamten Film als ein einziges Problem bezeichnen wollte) ist, dass die Story genau das ist: Die Stoker-Geschichte. Nur in schlecht. Lustig ist ja, dass bei Letterboxd sogar Stoker als „Original Writer“ angegeben wird (da rotiert der Ire aber gewaltig im Grabe, wenn der das wüsste). Geschrieben wurde das Ding von einem gewissen Carl K. Hittleman, ein Name, der perfekt in einen Westernfilm passen würde (und so sieht das Profilfoto von Hittleman in der Letterboxd auch aus: Wie irgendeiner, der im Wilden Westen dubiose Medizin verticken würde): Hittleman war seines Zeichens nicht nur Produzent von hochkarätiger Western-Ware (das sogar unironisch: er produzierte The Baron of Arizona mit Vincent Price), sondern auch Regisseur (der Klassiker Kentucky Rifle von 1955 geht auf seine Kappe, der hat ganze 73 Bewertungen auf Letterboxd!) und logischerweise Drehbuchautor. In diesem Metier ist das Horrorwestern Duo Billy-Dracula James-Frankenstein aber auch schon das „Bekannteste“, was er ablieferte. Und „bekannt“ ist der Film wenn überhaupt auch nur dafür, dass John Carradine der Meinung war, es sei der schlechteste Film, den er je gemacht habe, aber Carradine knüpfe ich mir gleich noch vor…
Die Story ist nun wirklich 0815. Vermutlich hat Hittleman Stokers Roman 1966 gelesen und sich dann einfach gedacht „Sag mal, noch niemand hat Dracula in den Wilden Westen geworfen? Das mach’ ich jetzt mal!“, dann Carradine angerufen, ihm ein paar hundert Dollar in die Hand gedrückt und dann war der Streifen (Budget: 25.000 Dollar) innerhalb von knapp einer Woche auch schon heruntergekurbelt. Viel Gedanken hat sich Hittleman nun nicht gemacht, denn es gibt in der Tat absolut NICHTS neues, was der Vampirformel hinzugefügt wurde. Das jemand 1966 dies noch wagte, hatte ich nicht gewusst – Hammer hat Stokers Roman ja auch nie verfilmt, die haben nur den Namen übernommen. Und wenn sich ein Schundregisseur an Stoker verging, dann schrieb er wenigstens seinen Namen in den Titel (wie Jesus Franco in Dracula von 1970 mit Lee). Nicht falsch verstehen: Ich stehe Stoker-Verfilmungen gerne offen gegenüber. Aber dann will ich wissen, dass es eine Verfilmung des Buches sein soll, und dann soll sie auch werkgetreu sein. Wie ich bereits in der Kritik von Francos Version sagte: Stokers Buch selbst fand ich beim Lesen jetzt nicht sooo spannend. Und die Plotte einfach in den Wilden Westen zu schmeißen, hilft eigentlich so gut wie gar nicht, obwohl dem prinzipiell ja nichts im Wege stünde. Ein bisschen was hätte Hittleman aber hinzutun können, ein bisschen Würze, ein bisschen Eigenleistung. Beziehungsweise hat er das in gewisser Weise sogar: Immerhin ist jetzt „Billy the Kid“ an Bord. Dass dieser Billy the Kid nichts mit dem historischen Billy the Kid zutun hat, muss ich nicht extra erwähnen, oder? Ohnehin tut dieser Billy hier nichts heldenhaftes und wieso er plötzlich ein so friedfertiges Leben auf einer Farm lebt, wird nie erklärt. Genauso wenig wieso es Dracula (dessen Name im Übrigen nie fällt) plötzlich in die Prärie zieht und was er dort genau treibt – denn von Betty erfährt er ja erst auf der Kutschfahrt, seine Entscheidung, sie zu seiner neuen „Maid“ zu machen, fällt also spontan.
Theoretisch ist also nichts an dem Film „Billy the Kid Versus Dracula“ – Billy ist kein Gunslinger und Dracula… ist zwar ein Vampir, der aber nie Dracula heißt. Ansonsten hat sich Hittleman nur die üblichen Versatzstücke genommen, die man so kennt. Keiner will den Leuten glauben, die sagen, die Morde seien die Taten eines Vampirs. Dracula hypnotisiert seine Opfer, beißt ihnen in die Kehle, verwandelt sich in (Gummi)Fledermäuse, Kräuter werden gegen den Vampir aufgefahren, ebenso wie Kruzifixe. Betty ist als hilfloses Opfer praktisch Mina Harker, Billy the Kid ihr Freund Jonathan. Die Figur des Erklärbären (aka Van Helsing) wird aufgeteilt zwischen Eva und der Ärztin des Ortes, die beide über Vampirismus irgendwie Bescheid wissen. Und viel tut sich dann auch nicht: Dracula gibt sich als Bettys Onkel Mr. Underhill aus, beißt ein bisschen herum, Billy kommt ihr mithilfe der Ärztin und Eva auf die Spur, und wie es am Ende ausgeht, muss ich da auch nicht mehr verraten. Wobei das Finale ja tatsächlich eine Überraschung liefert. Nachdem sich das Skript in eine Sackgasse manövriert hat (die Kugeln des Sherifs und von Billy the Kid bringen natürlich nichts) kommt Hittleman auf die glorreiche Idee, Dracula allen Ernstes dadurch zu Boden gehen zu lassen, indem der Sherif seinen Revolver auf ihn wirft (der ja nicht mal aus Silber ist, sonst könnte man das ja noch irgendwie akzeptieren – oder half Silber nur gegen Werwölfe? Ach, ist ja auch egal). Samt entschlummert liegt der Graf dann im Dreck und Billy hat genug Zeit, um ihm eine Eisenstange ins Herz zu hämmern. Damit aber noch nicht genug: Gleichzeitig fliegt der Graf noch als Fledermaus davon und verreckt erst außerhalb der Mine – während sein Körper noch in Menschenform in der Mine hockt. Und dass der Graf dann auch noch am Tag nach Lust und Laune herumspazieren kann, ist dann erst recht egal. Wobei ich Hittleman da sogar noch verteidigen will – wie ich mich entsinne, wurde die „Vampir zerfällt am Tage zu Staub“-Nummer erst von Murnau in Nosferatu eingeführt.
Also, die Story dient nicht dazu, Spannung, Suspense oder gar Horror zu erzeugen. Dazu war sie selbst 1966 zu altbacken. Wie schaut es denn sonst aus? Da ich wie erwähnt eine Totalkatastrophe erwartet hatte, war ich fast positiv überrascht. Der Film ist über weite Strecken handwerklich den Umständen entsprechend akzeptabel gewerkelt. Das sieht zwar aus wie irgendein Theaterstück im letzten Kaff einer vergessenen Goldgräberstadt von 1930, aber diese unbeholfene Vaudeville-Art bringt irgendwie ja auch einen gewissen Charme mit, der ich mich einfach nicht erwehren kann. Das mutet an wie ein x-beliebiger Poverty-Row Schnellschusswestern, gemixt mit Monogram-Horror: Eine Handvoll kleiner Kulissen (wobei man für einen Drehtag sogar eine Westernstadt als Kulisse mieten konnte) in netter Umgebung – die Natur der USA und ihre Abgeschiedenheit kommt hier allerdings leider nicht so sehr zum Vorschein, wie ich es gerne gehabt hätte. Für einen B-Western der 40 - 50er wäre das völlig in Ordnung gewesen, wenn man aber bedenkt, dass zur gleichen Zeit auch Sergio Leone unterwegs war…
Hilfreich ist vor allem der Cast, und da komme ich wieder zum Thema Carradine. Dass ich kein großer Fan dieser „Horror-Ikone“ (in meinen Augen ist er das absolut nicht) bin, schien schon in Return of the Ape Man durch. Der Mann ist nun mal ein Lügner (behauptete er allen Ernstes, man hätte ihm 1931 die Rolle von Frankensteins Monster angeboten. Is’ klar, John…) und des Weiteren beleidigte er Horrorfans in einem Interview 1944 während den Dreharbeiten von Voodoo Man auch noch und sagte, etwas müsse mit ihnen ja nicht stimmen, dass sie sich diesen Schund anschauten. Lustig, dass ausgerechnet dieser Mann, der diese Filme als dümmlichen Quatsch abtat, den Rest seines Lebens in Z-Produktionen desselben Genres arbeiten musste. Auch, dass er sagte, er habe in „einem Dutzend der Besten, aber auch in einem Dutzend der schlechtesten Filme“ mitgewirkt, ist ja absolut lachhaft. Ok, der letzte Teil stimmt ja vielleicht, aber wo bitte ist denn das Dutzend der „besten Filme aller Zeiten“? Die existieren vermutlich nur in seiner Fantasie. Zugegeben: Er hat ein paar kleinere Nebenauftritte in größeren Filmen gehabt, aber das nur in einem kurzen Zeitraum. Erst heute gab ich mir auch noch Fritz Langs Rache für Jesse James von 1940, da hatte er ein bisschen Screentime als einer der Ford-Brüder, aber bitte, John: Bis auf die zwei Universal-Draculas (und auch da war der Eindruck nicht groß) hast du fast nur das gemacht, was man gemeinläufig als Schund bezeichnen könnte.
So, wenn das nun ein Carradine-Fan (sollte es die denn geben) liest, ich bitte nicht um Verzeihung, denn auch wenn ich Carradine für absolut keine Genre-Ikone halte, muss ich ihn hier verteidigen. Objektiv ist er das Higlight von Billy the Kid versus Dracula, was aufgrund der Qualitäten des Streifens aber auch nicht schwer zu schaffen war. Nein, ich muss Carradine nicht toll finden, um zu sagen, dass er hier eine nette Show abliefert. Mit Augen aufreißen, als wäre er auf Koks, aber er sieht sowieso nicht aus wie Dracula. Spitze Zähne sieht man nicht, und eher erinnert eher an einen abgehalfterten Kirmes-Hypnotiseur. Nichtsdestotrotz: Wenn er in Close-Ups große Augen macht und mit roten Lichtern bestrahlt wird, dann hat das was. Zwar nichts Gruseliges, aber irgendwas.
Der restliche Cast reißt keine Bäume aus. Chuck Courtney, der hier einen seiner raren Hauptauftritte absolvierte (sonst spielte er meistens nur winzige Nebenrollen), ist als Billy the Kid, der hier zumindest als junger Held fungieren soll, A) zu alt und B) zu blass und langweilig. Das Skript gibt ihm, bis auf das Finale, aber auch nicht viel Heldenhaftes zu tun, und die kurzen Schlägereien, die er durchläuft, sind wenig interessant. Als Dracula-Opfer sieht es bei Melinda Casey (die hier ebenfalls ihren wohl größten Auftritt erfuhr, traurig) ähnlich aus: Ein bisschen muss sie weinen, ein bisschen hypnotisiert werden, fertig ist die Nummer. Besser ist da Virginia Christine als Eva, die zuerst erkennt, dass es sich bei Mr. Underhill um einen Vampir handelt. Bei Wikipedia steht zwar, sie und Franz seien ein Deutsches Ehepaar, ich meine aber, an einer Stelle wird erwähnt, dass sie aus Österreich kommen. Das sie ab und zu Deutsche Worte in ihre Dialoge einfließen lassen, ist ganz amüsant, aber Virginia Christine (die u.a in Invasion of the Body Snatchers eine Nebenrolle hatte) überzeugt als besorgte ältere Frau, die alles gegen den Vampir tun will, um ihn zu vernichten.
Dann noch ein paar Worte zum Regisseur. Das ist unser alter bekannter William Beaudine, der mit diesem Western-Horror-Doppelpack seine letzten Werke ablieferte. Vielleicht kein rühmlicher Abgang nach fast 50 Jahren (!) in der Branche, aber es passt ja, denn er war seit langem in der Poverty-Row verhaftet (siehe The Ape Man oder Ghost on the Loose mit Lugosi). Er war versiert genug, alles in kürzester Zeit herunterzukurbeln, und das tut er auch hier. Nicht mit großen Kunstgriffen, aber schmerzfrei, immerhin mit ein bisschen Bewegung in der Kamera…
Fazit:
Billy the Kid versus Dracula ist freilich kein Feuerwerk der großen Trash-Laune, aber auch kein hilfloser Güllestreifen. Ok, es ist ein Güllestreifen, aber kein ungenießbarer. Wer hartgesotten ist, der kann sich den Film durchaus mal zu Gemüte führen. Carradine liefert ein bisschen Atmosphäre, ebenso wie die Poverty-Row Inszenierung. Und bei 75 Minuten kommt kaum Langeweile auf.
5,5/10 Punkten.